Inhaltsverzeichnis auf einen Blick
Oder: Wie Yoga deine Lebensqualität nach einer Krebsdiagnose umfassend verbessert.
Versuch es doch einfach mal!
Das blieb schon beim Vorgespräch mit meinem heutigen Gesprächsgast bei mir hängen.
Denn ehrlicherweise habe ich schon mehrfach den Anlauf gestartet, mit Yoga zu beginnen. Entweder war es mir zu spirituell oder aber viel zu anstrengend. Lotussitz, okay, aber einen Kopfstand? Ich? Niemals!
Nach der Krebsdiagnose bot mir eine Nachbarin, die gerade eine Yoga-Ausbildung machte an, bei ihr zu Hause ein paar leichte Sonnengrüße und Übungen zu machen. „Nella, Yoga gibt es in so vielen verschiedenen Spielarten“, beruhigte sie mich. „Ich pass schon auf dich auf.“
Das hat mir wirklich gutgetan. Nur leider zog sie weg und ich verlor das Projekt „Nella und Yoga“ aus den Augen.
Auf angenehme Weise augenöffnend war dann das, was mir die Akademie-Gründerin von „Yoga und Krebs“, alles so auf die virtuelle Yogamatte legte.
Mein Gast in der 29. Podcastfolge von Nellas Neuaufnahme: Gaby Nele Kammler.
Die Audiospur gibt es hier für dich: >>> #29 – Yoga ist mehr als herabschauender Hund und Sonnengruß. – Zellenkarussell <<<
Eine Einladung zum Gespräch mit deinem Körper mit Gaby Nele Kammler
Zwei Dortmunderinnen mit Ruhrpottpower
Eine schöne Gemeinsamkeit auf die wir, neben dem, des fast gleichen Vornamens, sehr stolz sind, ist die, dass wir beide aus Dortmund kommen, dort geboren und aufgewachsen sind. Das verbindet natürlich automatisch.
Das unausweichliche Thema Borussia Dortmund mussten wir natürlich auch kurz streifen. Eigentlich auch nur, um uns gegenseitig zu versichern, dass wir selbstverständlich eine schwarzgelbe Seele besitzen, die wir genauso selbstverständlich an unsere Söhne weitergegeben haben. Wie sich das gehört.
Die Leidenschaft für unsere Projekte in Verbindung mit einer großen Portion Ruhrpottherz ist das Salz in der „Gesprächssuppe“ für diesen Talk und blitzt hier und da immer mal wieder durch.
Meine erste Frage an Nele lautet konsequenterweise: „Warum bisse aus Doartmuuund wech?“ Oder auf Hochdeutsch: Warum lebst du jetzt in Köln?
War es A: die Liebe? B: die Liebe oder C: die Liebe?
Erstaunlicherweise war es das nicht, sondern ein neues Jobangebot.
Nach einigen Jahren des „Sichausprobierens“ und Weiterentwickelns im medizinischen Außendienst eines Pharmaunternehmens, kam dann fast schon zwangsläufig der körperliche Zusammenbruch. Ein Hörsturz zwang sie zu einer längeren Auszeit und Überdenkens dessen, was sie bisher als wichtig und richtig angesehen hatte.
Ich konnte noch nicht mal mehr meinen Alltag leben, auch nicht mehr normal mit meinen Kindern umgehen, kommunizieren, weil es mir so schlecht ging. Beschreibt sie diese Zeit, in der sie angefangen zu überlegen und sich zu fragen: „Was habe ich eigentlich dazu beigetragen, dass ich in dieser Situation bin, dass es mir so schlecht geht? Was kann ich ändern? Wo möchte ich hin? Und wie möchte ich weitermachen?“
Bevor sie den Entschluss für einen neuen Weg gefasst hatte, lagen allerdings Behandlungen und Therapien hinter ihr, die nicht das erbrachten, was Nele für sich gebraucht und gewünscht hätte.
Als die Behandlungen nicht viel halfen, kam Yoga ins Spiel.
Da sie vorher bereits für den körperlichen Ausgleich, für ihre Fitness Yoga praktiziert hatte, kam ihr die Idee – gegen alle Widerstände und Stimmen aus ihrem beruflich-medizinschen Umfeld, die sie auf den alten Weg zurückführen wollten – eine Yogalehrerausbildung zu machen.
Da kamen Kommentare wie: „So ein esoterischer Blödsinn. Dein Platz ist hier, bei uns.“
Eigentlich wollte sie die Ausbildung erst Mal nur für sich machen, um die Philosophie und das was Yoga neben den einzelnen Übungen und Trainingseinheiten beinhaltet zu verstehen, ein größeres Bild zu bekommen.
Zitat Nele: „In dieser Zeit, wo es mir so schlecht ging, habe ich mich wirklich das erste Mal intensiv damit beschäftigt und habe auch das erste Mal verstanden, dass Yoga eine ganzheitliche Gesundheitslehre ist, dass es keine Fitnessart ist und auch kein Entspannungsverfahren, sondern eine Gesundheitslehre. “
Und: “Ich habe dann angefangen, mehr darüber zu lernen, mir das anzuschauen, selber Yoga zu praktizieren, mit einfachen Übungen anzufangen, nur für mich, um wieder mehr mentale Kraft zu gewinnen, um so den Weg in den Alltag zurückzufinden und einfach für mich zu sorgen und auch nicht darauf zu warten, dass das jemand anders mit mir macht.“
Teil der Ausbildung, und das passiert sehr früh, berichtet Nele, ist es Unterricht zu geben. Sie kam gar nicht drum herum, obwohl das überhaupt nicht ihre Absicht war. Schnell hatte sie Teilnehmer gefunden, die ihre Arbeit schätzten.
„Und dann bin ich dabeigeblieben, weil ich gesagt habe, das muss in die Welt. Ich möchte das einfach weitergeben, was Yoga kann. Ich möchte einfach, dass andere Menschen davon erfahren und auch selber damit in ihre Kraft kommen.“, beschreibt Nele ihre Beweggründe und ich höre die Begeisterung für ihre Passion aus jedem Wort.
Es ist mehr als ein Job, es ist Neles Berufung
Als ich sie frage, ob sie meint, dass das ihre Berufung ist, antwortet sie: „Inzwischen empfinde ich das so.“
Vor allem als durch die Teilnahme von Krebspatienten an ihren Kursen der Gedanke reifte Yoga, die Philosophie und heilende Kraft gerade für diese Gruppe einzusetzen.
Sie suchte nach Studien, nach Erfahrungsberichten von anderen und so fügten sich Stück für Stück die Mosaiksteinchen aus ihrem medizinischen alten Leben und dem neuen Fokus auf die Yogalehre zusammen.
In ihren Worten: „Ich hatte das Gefühl damals, alles, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe, das läuft hierauf hinaus. Mein medizinischer Hintergrund, dass es für mich nicht schwierig ist, mich mit wissenschaftlichen Daten und Studien zu beschäftigen. Auch, dass ich mich gerne bewege, ein gutes Körpergefühl habe. Alles, was ich vorher gemacht habe im Leben, lief irgendwie auf dieses Thema Yoga und Krebs hinaus. Und inzwischen mache ich das mit so einer Leidenschaft.“
Und: „Im Yoga nennt man das „Dharma“. Damit ist die eigene Bestimmung gemeint, also das, wofür wir hier sind, welche Talente wir mitgebracht haben, die wir in die Welt bringen können oder womit wir auch anderen dienen können. So fühlt es sich für mich an. Es ist einfach das, wofür ich hier bin.“
Krisen können neue Wege aufzeigen
Das ist etwas, was ich schon häufig beobachtet habe. Die Krisen im Leben bringen neue Bestimmungen hervor oder lassen uns alte Stärke wiederentdecken.
Und bemerke: „Ich denke, das passiert oft, wenn man eine Krise durchlebt hat, dann ist das wie eine Art Brennglas, das sich auf deine Stärken richtet und auf deinen Weg.“
Bevor wir uns der konkreten Ausrichtung für Yoga auf Krebspatienten widmen, stelle ich ihr eine ganz meine allgemeine Frage:
Wie fit muss ich denn eigentlich für Yoga sein? Gibt es Voraussetzungen, wenn ich jetzt ganz neu bin und ich mich damit beschäftigen möchte?
Wer atmen kann, kann Yoga machen.
Nele dazu:
„Ganz einfach: Jeder kann Yoga, jeder. Wer atmen kann, kann Yoga machen. Dass so viele Menschen meinen, sie müssen dafür irgendwas können oder beweglich oder schlank sein, das liegt an dem Bild, was in der Öffentlichkeit von Yoga vorherrscht und dass es eine fordernde Sportart ist. Das ist aber nicht so.
Wichtig ist eben, welche Yogastunde es ist, von wem der Teilnehmende angeleitet wird. Es gibt, wie du am Anfang ja auch schon gesagt hast, eine Vielzahl unterschiedlicher Yogastile und es ist auch sehr unterschiedlich, wie unterrichtet wird.
Es liegt also auch immer am Yoga-Lehrenden, wie die Stunde gemacht wird. Und natürlich ist für jemand, der grad in der Zeit einer Erkrankung ist, dem es gerade nicht gut geht, eine fordernde Yogastunde überhaupt nicht angebracht.
Yoga ist wie gesagt, eine ganzheitliche Gesundheitslehre und wir arbeiten mit vielen verschiedenen Techniken, zum Beispiel auch mit dem Atem.“
Der Atem, die „inneren Bilder“ und die Meditation
„Und wenn körperliche Übungen nicht möglich sind, muss man sich überhaupt nicht bewegen. Man kann auch im Bett liegen und Yoga machen. Dann kann man zum Beispiel mit Atemtechniken üben. Oder man kann mit “inneren Bildern” arbeiten. Das weiß man schon seit den 70er Jahren. Da gibt es schon Studien, die zeigen, dass die “inneren Bilder” und unsere Gedankenwelt einen Einfluss darauf haben, wie der Verlauf einer Krebserkrankung ist, also dass man die Prognose auch mit dieser inneren Arbeit beeinflussen kann, je nachdem, wie die Einstellung ist, wie die Erwartungshaltung ist, welche “inneren Bilder” man hat.
Da kann man auch in der Meditation mit schönen positiven Sätzen, mit kleinen Affirmationen arbeiten. Oder wir können kleine Dankbarkeits-Übungen machen. Auch das ist Yoga.
Sobald das möglich ist, ist es gut, auch körperlich zu arbeiten. Aber auch das kann man sehr sanft machen. Das ist etwas, was wir auch Yogalehrerin und Yogalehrerin in meiner Ausbildung vermitteln. Zum einen die Empathie, sich in die Situation überhaupt richtig gut einfühlen zu können und dann Yogastunden anzuleiten, die auch wirklich hilfreich sind und die auch machbar sind in dieser Situation.“
Lebensqualität steigern durch Selbstfürsorge
Einzig bei dem Punkt der Einflussnahme für die Prognose, möchte ich hinzufügen, dass es vor allem um die Verbesserung der Lebensqualität geht. Andere Versprechen erzeugen Erwartungen, die eventuell nicht zu erfüllen sind und setzen alle (unnötig) unter Stress.
Dieser Aspekt, der Auswirkungen auf die Lebensqualität, ist auch Teil der Selbstfürsorge. Sich zu fragen, was tut mir gut? Und, wie Nele es auch für sich geschildert hat, schauen, was kann ich selber machen und nicht darauf warten, dass irgendwer zu mir kommt und irgendwas mit mir macht.
Das Bild, von dem im Bett liegen und trotzdem etwas für die Mobilität machen, davon hatte mal eine Patientin in einer Talkrunde berichtet. Sie sagte, dass der Gedanke an das Laufen – sie konnte sich in dieser Zeit überhaupt nicht bewegen – hat bei ihr anscheinend irgendwas ausgelöst, dass sie sich in so eine Glücksebene oder Zufriedenheitsebene gedacht hat und beweglicher wurde. Ihr behandelnder Arzt meinte zu diesem Phänomen: Na ja, sie haben durch ihre Gedanken ihren Körper mobilisiert.
Das fand ich damals schon völlig faszinierend. Und das ist im Grunde das, was auch Nele sagt, dass das durch „innere Bilder“ durchaus steuerbar ist.
Das Transkript zum Talk beginnt hier.
Damit sind wir bei der Frage: Was musst du, Nele, bei den Übungen, die du für Krebspatienten anbietest, beachten?
Und genau hiermit steigen wir in das Transskript der Podcastfolge ein. Für die bessere Unterscheidung unserer jeweiligen Fragen und Antworten, habe ich Nele in ihren Statements als Gaby Nele mit ihren beiden Vornamen aufgeführt. Sonst kommst du beim Lesen völlig durcheinander, schmunzel.
Krank oder gesund macht einen großen Unterschied für die Yogapraxis
Gaby Nele:
Es gibt zum einen Übungen, die nicht gemacht werden dürfen während einer Krebserkrankung. Zum Beispiel, wenn jemand Implantate trägt, dann sind bestimmte Übungen kontraindiziert und aus der Erfahrung der letzten zehn Jahre, seit etwas über zehn Jahren begleite ich Menschen mit einer Krebserfahrung mit Yoga, kann ich sagen, es gibt Yogaübungen, die empfindet man, wenn man gesund ist, als angenehm und entspannend. Und die empfindet man während einer Krebserkrankung überhaupt nicht als angenehm. Viele sind gar nicht machbar, weil sie zum Beispiel an bestimmte Situationen, bestimmte Untersuchungssituationen erinnern.
Oder weil sie einfach auch zu viel Enge schaffen, weil eine tiefe Atmung manchmal gar nicht möglich ist. Durch Operationen, zum Beispiel durch Ängste, die entstehen. Dann wird die Atmung kürzer und flacher. Und wenn man dann in eine Position geht, die noch mal zusätzlich Enge schafft, wo man sich zusammenrollt, zum Beispiel in der Kindsposition. Jemand, der schon mal Yoga gemacht hat, kann damit vielleicht was anfangen. Das ist nicht angenehm, ist für viele Menschen nicht angenehm während einer Krebserkrankung.
Der erste Yoga-Führerschein ist nur die Grundlage
Das heißt, das, was man so in der Yogalehrer-Ausbildung lernt, das ist eigentlich immer wie ein Führerschein, dass man so die grundlegenden Übungen kennt und anleiten kann. Aber wenn jemand eine Krebserkrankung hat, dann können viele Dinge davon nicht gemacht werden. Und das muss ich einfach wissen, wenn ich Yoga unterrichte und mit Menschen mit einer Krebserkrankung arbeite, dass das die Yogapraxis angenehm sein soll und dass ich manche Übungen einfach nicht anleiten darf.
Und umgekehrt gibt es Übungen, die ganz besonders gut helfen, die ganz besonders wohltuend sind, weil sie die Atmung wieder vertiefen, weil sie auf ganz sanfte Weise wieder beweglicher machen.
Gezielt Nebenwirkungen lindern – Beispiel Fatigue
Und ein ganz wesentlicher Punkt ist, und das haben die meisten auch gar nicht auf dem Schirm, dass wir mit Yoga auch tatsächlich Nebenwirkungen gezielt lindern können. Also es geht nicht nur darum, dass man sich besser fühlt und beweglicher wird und ruhiger und entspannter wird, sondern wir können typische Nebenwirkungen, die während einer Krebserkrankung auftreten, ganz gezielt lindern.
Nella: Wir können ja mal durchgehen, was es da so gibt. Wir haben zum Beispiel die Fatigue. Was macht ihr da genau?
Gaby Nele:
Ein Fatigue Syndrom lässt sich sehr gut durch Yoga lindern. Auch da ist es wichtig, dass man erst mal, dass es entsprechend angeleitet wird. Das Fatigue-Syndrom, das wissen wahrscheinlich die meisten, ist ein schweres Erschöpfungssyndrom, das es oft unmöglich macht, den normalen Alltag zu bewältigen. Es geht ja auch oft mit Schwindel einher.
Da kann ich natürlich keine Übungen machen, wo ich jetzt frei auf der Matte stehe in einer Balanceübung, sondern da geht es erst mal darum, Übungen anzuleiten, die unten am Boden auf der Matte stattfinden. Eine ganz sichere Praxis, die auch für jemanden möglich ist, der gerade ganz wenig Kraft hat. Dass man zum Beispiel erst mal nur im Liegen arbeitet, dass man mit Übungen arbeitet, wo überhaupt keine Muskelkraft gebraucht wird, wo man erst mal loslassen kann, wo immer erst mal passiv in eine Position geht.
Pranayama, die wirksamste Methode gegen Fatigue
Aber was auch hervorragend hilft beim Fatigue-Syndrom, ist Pranayama. Also das sind Atemübungen. In dem Wort Pranayama, in der Bezeichnung für die Atemübungen im Yoga steckt schon das Wort Prana und Prana bedeutet übersetzt Lebenskraft.
Also schon allein an dieser Bezeichnung, dass das Wort Prana Lebenskraft im Wort Pranayama für Atemübungen steht, merkt man schon, dass wir mit dem Atem Einfluss darauf nehmen können, wie viel Kraft und wie viel Energie wir haben.
Und das ist etwas, was beim Fatigue-Syndrom ganz besonders gut hilft, und gilt übrigens im Moment, das ist auch ganz spannend, als die wirksamste Methode, die uns in der Medizin zur Verfügung steht, um das Fatigue-Syndrom zu lindern. Die Studienlage dazu ist so gut, dass Yoga auch in den medizinischen Leitlinien ausdrücklich empfohlen wird, was viele gar nicht vermuten.
Nella: Woran liegt denn das, dass die Atmung diesen Effekt hat? Was passiert da im Körper?
Gaby Nele:
Zum einen ist unsere Atmung direkt mit dem Nervensystem verbunden. Also unsere Nasenlöcher sind direkt mit dem Nervensystem verbunden. Man kann also das vegetative Nervensystem über die Atmung beeinflussen. Und das geht schon mit ganz einfachen Atemübungen, indem man zum Beispiel nur über eine Seite einatmet oder im Wechsel atmet. Da kann man schon darauf Einfluss nehmen, wie viel Energie man hat. Und dann ist es auch eine Frage der Energie, dass wir einfach den Energiefluss auch anregen, im Körper Blockaden, die entstanden sind, wieder lösen können.
Energieblockaden lösen, auf eigene Ressourcen zugreifen
Das geht jetzt natürlich sehr ins “Yogische”. Das ist etwas, womit man Wissenschaftler oder als Schulmediziner zunächst mal nicht viel anfangen kann. Aber aus “yogischer” Sicht schon. Dass wir eben die Energie, die nicht frei fließen kann, im Körper wieder zum Fließen bringen. Aus yogischer Perspektive ist es wichtig, Energieblockaden zu lösen, die im Laufe des Lebens entstehen durch Dinge, die wir erleben, oder wenn wir wider unsere Natur leben.
Ich kann von mir sagen, ich habe eindeutig wider meine Natur gelebt.
Ich bin weit über meine Grenzen gegangen. Es hat immer wieder der Ausgleich gefehlt, in die Ruhe zu kommen, damit der Körper auch auf seine eigenen Ressourcen zugreifen kann, seine eigenen Kraftquellen wieder aktivieren kann. Ich war viel zu sehr im Außen und immer viel zu sehr in Aktion.
Und durch Yoga machen wir eben genau das Gegenteil. Wir fühlen auch wieder in dieser Ruhe, in dieser Entspannung, damit der Körper wieder seine eigenen Ressourcen aktivieren kann.
Der Atem ist wirklich ein wunderbares Tool, es ist eine ganz einfache Möglichkeit, vor allen Dingen auch selbst darauf Einfluss zu nehmen, wie man sich fühlt. Wenn man als Patient mit einer Krebserkrankung gelernt hat, bei einer Yogalehrerin oder auch über Video zum Beispiel, mit welcher Atemübung man was machen kann, dann bekommt man ja ein Werkzeug, ein Tool an die Hand, mit dem man jeden Tag auch selber ein bisschen was zu Hause machen kann.
Raus aus der Ohnmacht
Und du hast es gerade auch schon mal angesprochen, diese Möglichkeit, selber was zu tun, das ist wirklich das, was mich am meisten antreibt, dass ich sage, raus aus dieser Ohnmacht.
Und du schreibst das in deinem Buch (Warum sagt mir das denn niemand? Was Du nach einer Krebsdiagnose alles wissen musst) ja auch so wunderbar, dass man aus dieser Hilflosigkeit, aus dieser Ohnmacht, die man am Anfang erfährt nach einer Krebsdiagnose, dass man da rauskommt.
Ja, es ist raus aus der Ohnmacht in die Macht. Denn Yoga ermächtigt uns, Yoga gibt uns die Macht darüber zurück, wie wir uns fühlen. Und wenn man mit kleinen Übungen gelernt hat, das selber zu beeinflussen, wie man sich fühlt.
Es ist auch so ein so kraftvolles Instrument zu sagen: Nee, ich muss jetzt nicht warten, dass es gut wird. Oder ich muss mich nicht nur darauf verlassen, dass irgendwer was macht, sondern ich habe das selber auch in der Hand, wie ich mich fühle. Und ich kann selber auch aktiv dazu beitragen, dass es wieder besser wird. Und das ist, das ist mir so ganz wichtig.
Fortschritte erzielen, ohne zu schwitzen
Nella:
Weißt du, was ich daran so toll find, ist eigentlich diese Umkehrung dessen, was wir in der westlichen Welt gelernt haben. Dass man sich sehr stark einbringt, dass man schwitzt, zum Beispiel beim Sport, dass man schwitzen muss, damit das ein Effekt hat.
Ich bin zum Beispiel Halbmarathonläuferin und wenn ich jetzt sofort losrennen würde, als wäre das mein Lauf, dann wäre ich platt. Deswegen kann ich nur kleine Einheiten machen. Ich muss dabei gar nicht schwitzen und habe trotzdem einen Trainingseffekt. Wenn ich ganz langsam laufe und immer mal wieder meine fünf Kilometer laufe und das ständig mache, also eine Routine einbaue, dann werde ich sehr schnell sehen, dass ich Fortschritte mache. Aber wenn ich mich immer überfordere, dann funktioniert das nicht.
Und am Anfang, als Yoga aufkam, wurde das immer so belächelt: Ach Gott, das kann ja jeder machen, bis viele gemerkt haben, Ui, das ist ja dann doch anspruchsvoller, weil man sich auf sich konzentrieren muss und dass eben nicht so husch, husch machen kann, weil das eine Form ist, mit sich selbst in Kontakt zu kommen.
Das machst du beim Sport eigentlich nicht so, das ist bei Yoga eben das Besondere. So habe ich es empfunden, das ist das Spezielle von Yoga, das, was den Effekt ausmacht.
“Yoga ist wie ein Gespräch mit dem eigenen Körper”
Gaby Nele:
Yoga ist wie ein Gespräch mit dem eigenen Körper. Man lernt wieder dem Körper zu zuhören, zu hören, was er sagen möchte und auch wieder wahrzunehmen, was im Inneren passiert.
Auch zu spüren, wo die eigenen Grenzen sind und diese Grenzen auch wieder wahrzunehmen, auch zu respektieren und auch liebevoll mit sich umzugehen. Denn diese Leistungsgesellschaft, in der wir leben, die triggert das auch noch einmal. Die befeuert das auch noch, dass man auch möglichst leistungsstark ist. Leistung wird belohnt und dass man auch über die eigenen Grenzen geht und die gar nicht so wahrnimmt. .
Wenn man im Berufsleben sagt: ‚Nee, ich kann jetzt mal nicht, da nehme ich mir eine Auszeit.‘, wird das nicht so akzeptiert
Es ändert sich ja jetzt zum Glück auch schon ein bisschen. Man merkt es auch schon an der jüngeren Generation, dass es da schon eher akzeptiert ist. Aber viele sind ja auch noch mit dem Gedanken aufgewachsen, dass nur Leistung zählt oder mit bestimmten Glaubenssätzen. Ich muss was leisten, damit ich was wert bin und ich muss mich immer kümmern oder ich bin immer verantwortlich.
Auch mal zu erkennen: Warum handle ich wie und warum gehe ich auch manchmal über meine eigenen Grenzen? Das lernen wir im Yoga. Und dann, du hast es vorhin auch schon so schön gesagt, in diese Selbstfürsorge zu kommen und diese Selbstliebe und dann auch liebevoll mit sich umzugehen. Wir sind manchmal so streng mit uns, so wie wir mit unserer besten Freundin wahrscheinlich nicht sprechen würden.
Sich zu fragen: Macht mir das wirklich Freude? Oder mache ich das eigentlich nur, weil ich das so gewöhnt bin oder weil ich das so gelernt habe, aber ich will’s eigentlich gar nicht.
Die energetische, die seelische und die körperliche Ebene von Yoga
Nella:
Genau das ist eben dieses Ganzheitliche, was du angesprochen hast. Und was ich dazu auch noch interessant fand, dass hattest du im Vorgespräch gesagt, da gibt es die drei Ebenen die körperliche, die energetische und seelische, die angesprochen werden. Die letzen beiden haben wir besprochen.
Was ist aber mit der körperlichen Ebene?
Körperlich ist es natürlich auch eine Form der Fitness, logisch. Man macht es ja auch ein bisschen dafür, für den Muskelaufbau, um gut durch den Alltag zu kommen. Muskelaufbau ist bei Krebspatienten überhaupt ein großes Thema.
Muskeln tragen uns durch das Leben
Gaby Nele:
Ja, das ist auch wichtig. Man weiß auch, dass eine gute Muskulatur auch dafür sorgt, dass das Immunsystem stärker ist, dass dann bestimmte Abwehrzellen mehr im Körper vorhanden sind. Es fühlt sich gut an, wenn man körperlich kräftig ist.
Polyneuropathien und das Gleichgewicht
Das ist auch wichtig, um besseren Gleichgewichtssinn zu haben. Das ist ja auch häufig ein Problem, wenn Neuropathie auftreten, dass der Gleichgewichtssinn gestört ist, also Neuropathie, sind so Missempfindungen durch die Chemotherapie, dass die Nervenenden geschädigt werden und dass die Wahrnehmung nicht mehr so gut ist. Und das geht oft mit Gleichgewichtsstörungen einher. Deswegen ist es wichtig, kräftigend zu arbeiten, auch den Gleichgewichtssinn zu schulen.
Auch das machen wir ja im Yoga, um wieder ein besseres Gefühl für Gleichgewicht zu haben und Stürze zu vermeiden. Was auch wieder wichtig ist, weil auch häufig oder manchmal eine Auswirkung der Prognose auftritt. Diese körperliche Praxis schenkt Osteoporosepatienten mehr Kraft, macht den Körper flexibler.
Nella: Können durch den Muskelaufbau und die Yogapraxis auch Schmerzen gelindert werden?
1. Muskelaufbau entlastet
Gaby Nele:
Ja, wenn zum Beispiel die Muskulatur sehr schwach ist. Wenn also Muskelaufbau erstmal hilft, um das System zu entlasten. Das kann zum Beispiel ein Thema sein unter Hormontherapie, Anti-Hormontherapie, wie sie bei hormonabhängigen Krebserkrankungen gemacht wird. Da wird dem Körper ja Hormon entzogen und dadurch kommt es zum Beispiel unter Tamoxifen-Therapie häufig zu Knochenschmerzen, zu Gelenkbeschwerden.
Und das führt dazu, dass viele nicht normal im Vierfüßler Stand auf der Yogamatte stehen können, weil es die Handgelenke zu sehr belastet, weil dieser Druck nicht gut ausgehalten wird. Und wenn wir dann erst mal wieder die Handgelenke kräftigen, die Muskulatur an den Handgelenken, dann wird es auch leichter. Und dann werden auch diese Schmerzen nicht mehr als so stark empfunden. In dem Fall kann Muskelaufbau helfen.
2. Faszienverklebungen lösen
Was aber ganz besonders gut hilft im Yoga gegen Schmerzen. Das ist die Faszienarbeit, die wir machen. Die Faszien sind ja eine bindegewebsartige Struktur, die sich durch den ganzen Körper zieht. Das kennt man so ein bisschen, wenn man zum Beispiel ein Stück Hähnchenbrustfilet schneidet, dann ist da außen rum so eine dünne weiße Schicht, das kennst du vielleicht, Nella. Und diese dünne weiße Schicht, das sind auch, denn die ziehen sich durch den ganzen Körper.
Nella: Diese Silberhaut?!
Gaby Nele:
Genau das ist Fasziengewebe, das zieht sich auch durch unseren ganzen Körper. Es gibt unserem Körper die Form, alle Muskeln sind in Fasziengewebe eingeschlossen. Man weiß inzwischen, dass in den Faszien auch Schmerz Rezeptoren sitzen und zum Beispiel bei Rückenschmerzen weiß man inzwischen, dass 80 % aller Rückenschmerzen allein durch das Fasziengewebe bedingt sind. Dass das gar nichts mit der Muskulatur oder den Knochen zu tun hat, sondern dass es einfach eine nicht gut bewegte Faszienstruktur ist.
Die Faszien verkleben, die ziehen sich zusammen und das kann man sehr häufig zu Schmerzen führen. Und das ist auch ein Grund, warum sich Rückenschmerzen oft so schnell durch Yoga bessern, weil wir da eben sehr intensiv mit dem Fasziensystem arbeiten. Und diese dickste Faszien, die wir haben, die sind so im unteren Rücken, die Lumbalfaszie, die wird sehr gut gedehnt durch Yoga und deswegen gehen eben auch Rückenschmerzen schnell zurück.
Und das betrifft den ganzen Körper, dass wir durch Dehnung, durch die Fasziearbeit auch Schmerzen lindern.
3. Die Schmerzwahrnehmung wird verändert. Stichwort: “Embodyment”
Was wir aber auch machen, ist, dass wir auch mental was verändern, sodass auch die Schmerzwahrnehmung im Körper sich verändern kann. Das sich an den Schmerzen an sich eigentlich gar nichts verändert, dass sie aber anders wahrgenommen werden.
Sie werden im Gehirn anders verarbeitet. Jede Körperübung, die wir machen im Yoga, die man so im Außen macht, mit dem Körper, die hat auch eine bestimmte Wirkung im Innern. In der Psychologie wird das „Embodyment“ genannt, nämlich der Zusammenhang zwischen einer Körperhaltung, die wir einnehmen, und dem, was es innerlich mit uns macht, wie wir uns danach fühlen, welchen Einfluss die Körperhaltung auf unsere Psyche hat.
Und so gibt es dann eben sehr aufrichtende und stärkende und herzöffnende Körperübungen, die auch im Innern dafür sorgen, dass wir uns besser fühlen. Da gibt es auch ganz spannende Untersuchungen dazu.
Ich hatte mal eine Schauspielerin in der „Yoga und Krebsausbildung“, die war auch schon ausgebildete Yogalehrerin und als wir dieses Thema im dem „Embodyment“ besprochen haben, also was macht eigentlich nur Körperübungen im Außen mit uns im Inneren? Warum fühlen wir uns eigentlich anders nach bestimmten Körperhaltungen?
Eine traurige Körperhaltung schürt Ängste
Da erzählte sie auch aus ihrer Schauspielausbildung, dass sie, wenn sie sehr schwierige oder traurige Szenen spielen mussten, dass aber nicht konnten, weil die Stimmung am Set so gut war. Dann haben sich die Schauspieler erst mal in eine ganz traurige Körperhaltung begeben, haben also die Schultern nach vorne hängen lassen, haben den Kopf nach vorne hängen lassen und dann mussten die so lange so stehen bleiben, bis sie sich wirklich richtig schlecht gefühlt haben. Und erst dann wurden diese traurigen Szenen gedreht.
Nella:
Diese Sache, die beobachtet ja jeder an sich, der mal den Gang zum Arzt vor sich hat und du das Gefühl hast, da kommt jetzt vielleicht eine schlechte Nachricht auf mich zu. Wenn du da schon den Flur runter gehst und in dich zusammensinkst, wie dir dann immer schlechter wird, du dich immer unwohler fühlst.
Haltung bewahren!
Richtest du dich aber auf und guckst nach vorne, merkst auf einmal, du hast eine ganz andere Wahrnehmung der ganzen Umgebung. Du bist dann nicht so mit dir und deinen Ängsten beschäftigt, weil du dich da so zusammenkrümelst, sondern du guckst nach außen und auf einmal ist alles entspannter. Das kann ich nur jedem empfehlen und das bestätigen, was du da sagst.
Das ist wirklich irre, was man durch Körperhaltung verändert und dass das Yoga kann, davon bin ich fest überzeugt. Der Sonnengruß schon alleine, wenn man sich dann da so aufrichtet. Meine Mutter, die macht das zum Beispiel jeden Morgen. Sie wird jetzt 79, die macht jeden Morgen ihren Sonnengruß vor dem großen Fenster. Sie hat auch wenig Rückenschmerzen. Also die macht das richtig super.
Nella: Wie ist denn der Ablauf, wenn ich als Krebspatienten zu euch komme?
Wie läuft das ab? Gibt es da ein Vorgespräch? Ist das wie ein Anamnesegespräch, dass wir erst mal durchgehen, was sind deine Symptome, was sind deine Beschwerden? Und werde danach in eine bestimmte Gruppe eingeteilt?
Gaby Nele:
Es gibt immer ein Vorgespräch. Wir haben inzwischen sehr viele ausgebildete Yogalehrerin und Yogalehrer in Deutschland, die auch logisch ausgebildet sind, also ausgebildete Yoga und Krebstrainer und -Trainerin. Wir führen alle immer ein Vorgespräch, möglichst zu zweit. Also ich versuche immer zu telefonieren, wenn sich neue Menschen mit Krebserfahrungen, wenn die sich melden, um herauszufinden, welche Krebserkrankung geht es, wie ist der momentane Stand, welche Therapie wird gemacht?
Manchmal ist die Therapie auch schon länger her, es melden sich auch manchmal Menschen, die sind schon seit zehn Jahren wieder gesund und sagen Ich habe das gelesen und ich würde gern was für mich, für mich tun, damit ich auch gesund bleibe. Das ist natürlich sehr wichtig zu wissen, Also ist jemand schon länger wieder gesund oder ist jemand gerade mitten in einer akuten Therapie? Oder hat jemand gerade erst die Krebsdiagnose bekommen und die Therapien haben noch gar nicht angefangen?
Das müssen wir natürlich wissen, um das besser einschätzen zu können. Wenn jemand in Therapie ist, dann möchte ich auch wissen, ob es Nebenwirkungen gibt und wie sich jemand fühlt?
Dann, ja, dann nehme ich ihn mit in die Yogastunden und dann weiß ich eben, wie ich die nächste Stunde auch erstelle. Es ist ein Unterschied, ob ich jetzt eine Gruppenstunde mache oder ob ich einen Einzelunterricht mache.
Einzelunterricht ist natürlich auch möglich, da kann ich das natürlich mal ganz besonders individuell abstimmen. Aber wenn jetzt jemand mit in die Gruppe kommt, dann führe ich das Gespräch immer so früh, dass ich noch genug Zeit habe, mich mit der nächsten Stunde darauf einzustellen. Und dann berücksichtige ich auch genau diese Situation in der Stunde.
Wie finde ich meine “Yoga-und-Krebs–Gruppe“?
Nella:
Wie finde ich euch denn dann? Das hört sich ja so an, als wäre das so örtlich begrenzt. Aber durch die Akademie habt ihr ja verschiedene Standorte. Du sagst, das geht über die Eingabe der Postleitzahl auf der Webseite von „Yoga und Krebs“, dass man vor Ort in seiner Nähe ein Yogastudio findet, was eben das anbietet, was du gerade beschrieben hast, oder?
Gaby Nele:
Wir haben mehrere hundert Yoga und Trainerinnen und Trainer in Deutschland, auch in Österreich und in der Schweiz gibt es einige und da kann man auf der Website Yogaundkrebs.de über die Eingabe seiner Postleitzahl gucken, wer in der Nähe ist, der dafür entsprechend ausgebildet ist.
Lieber live – wenn es geht
Und ich würde auch jedem empfehlen, sich live in die Hände einer Yogalehrerin oder eines Yogalehrer zu begeben. Online-Yoga zu machen ist zwar im Moment eine gute Option, es kann auch mal eine gute Option sein, wenn man gerade gar nicht aus dem Haus gehen kann. Aber eine Yogalehrerin, die mit dem Schüler zusammen im Raum ist, die kann die Situation sehr viel besser einschätzen und kann auch viel mehr Hilfestellung leisten.
Also kann halt auch mal sagen guck mal, ich nehme jetzt mal noch ein Kissen dazu oder nimm mal einen Yoga-Block dazu, dann wird die Übung für dich leichter und man kann einfach viel besser gucken, wird die Übung richtig ausgeführt, wird das richtig ausgerichtet oder muss ich da vielleicht noch mal anleiten, dass der Fuß ein bisschen anders steht oder dass die Schultern anders stehen, dass es anatomisch richtig ausgerichtet ist. Das ist wichtig.
Nella:
Werden eure Kurse auch bezuschusst? Es gibt Reha-Sport, der bezuschusst wird von der Kasse, Ist das bei euch auch so?
Gaby Nele:
Offiziell bezahlen die Krankenkassen Yoga leider nur in der Prävention. Noch muss man sagen. Da werden wir nicht müde, immer wieder drüber zu sprechen, insbesondere da Yoga ja jetzt auch in den Leitlinien drinsteht.
Aber im Moment ist es noch so, dass nur Kurse in der Prävention bezuschusst werden von den Kassen. Es darf also kein „Yoga und Krebs Kurs“ sein, dafür bekommen wir keine Zertifizierung. Trotzdem gibt es aber hin und wieder die Möglichkeit und ich würde jedem empfehlen, bei der Krankenkasse mal anzurufen.
Wir haben schon mehrmals die Fälle gehabt, dass wir eine Bescheinigung ausgestellt haben und gesagt haben hier, das ist ein spezieller Kurs für Krebspatienten, der therapiebegleitend angeboten wird und dann haben Patienten direkt bei der Kasse das eingereicht und haben auch eine Erstattung bekommen, sowohl bei den gesetzlichen als auch bei den privaten Krankenversicherungen.
Ich würde auch jedem empfehlen, mal individuell bei der Yogalehrerin, bei dem Yogalehrer in der Nähe nachzufragen.
Man muss dazu sagen, wenn Kurse von den Krankenkassen bezuschusst werden, dann sind das immer feste Kursblöcke. Das heißt, das ist dann zum Beispiel ein acht oder ein zehn Wochen Kurs.
Das ist von den Krankenkassen so vorgegeben. Die Teilnehmer müssen dann eine bestimmte Mindestzahl anwesend gewesen sein. Also beim zehn Wochen Kurs zum Beispiel muss man mindestens an acht Yogastunden in dieser Zeit teilgenommen haben.
Suche das Gespräch mit dem/der Yogalehrer/in
Und wenn man jetzt in einer akuten Therapiephase ist und gerade zum Beispiel eine Chemotherapie bekommt, dann kann das manchmal sein, dass man das gar nicht schafft, wirklich so oft zum Yoga zu gehen.
Da gibt es eben nicht die Möglichkeit, zu sagen: Ja, ich mache das jetzt aber in zwölf Wochen, sondern das ist wirklich eine feste Vorgabe der Krankenkassen. Dann kann es manchmal wirklich sinnvoller sein, die Yogastunden nicht mit dem Zuschuss zu machen, sondern im entsprechenden Yogastudio eine normale 10er Karte zu kaufen oder mit der Yogalehrerin eine individuelle Regelung zu finden. Eben wenn man zum Beispiel sagt, ich kann nicht regelmäßig kommen, ich würde das gerne über einen längeren Zeitraum verteilen.
Da würde ich jedem immer empfehlen, bitte auch das Gespräch suchen, einfach mal nachfragen bei der Yogalehrerin, bei dem Yogalehrer, da lässt sich fast immer eine individuelle Lösung finden.
“Yoga-und-Krebs“-Yogalehrer/innen sind speziell geschult
Nella:
Du hast ja gesagt, die oder bzw. ich weiß es sehr genau, dass Yoga auch in den Leitlinien aufgenommen wurde, also den Leitlinien zur komplementären Medizin der Onkologie.
Das hat natürlich zur Folge, dass sagtest du im Vorgespräch, dass viele Yogalehrer sagen: Ach ja, gut, dann mache ich das mal mit, ist ja toll. Da habe ich noch mal eine neue Zielgruppe. Du sagst aber, nee, das funktioniert so nicht, weil das wirklich geschult werden muss.
Die Ausbildung, die du anbietest über die Akademie gibt es nicht ohne Grund. Ihr besprecht euch, hast du gesagt, auch mit Ärzten, wenn spezielle Fälle da sind, die etwas tricky sind, wo man genau und individuell drauf gucken muss. Das kann ein, ich sage jetzt mal „einfacher“ Yogalehrer oder eine „einfache“ Yogalehrerin nicht leisten.
Gaby Nele:
Das ist wirklich wichtig, dass man sich das entsprechende Hintergrundwissen aneignet.
Ich muss dazu sagen, der Begriff des oder der Beruf des Yogalehrer ist nicht geschützt. Also jeder kann sich Yogalehrer nennen. Da sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass eine vernünftige Yogalehrer-Ausbildung gemacht wurde und dann eben, dass sich jemand auch das entsprechende Hintergrundwissen über Krebserkrankung angeeignet hat.
Denn wie gesagt, manche Übungen sind einfach nicht machbar. Es gibt auch welche, die wirklich Schaden anrichten können und damit sollte man sich auskennen. Und es gibt eben auf der anderen Seite Dinge, die ganz besonders gut helfen. Und wenn ich das weiß, als Yogalehrerin, als Yogalehrer, dann kann ich es einfach viel besser begleiten in dieser Zeit.
Mehr als “sanftes” Yoga: Kompetenz und Empathie
Und ich muss auch sagen, es ist auch für die Yoga-Lehrenden selber viel besser. Also es gibt ein viel besseres Gefühl, wenn man sich wirklich gut auskennt. Denn, wenn man von Krebserkrankungen keine Ahnung hat, dann macht man im Zweifelsfall immer so eine ganz sanfte Yogastunde, weil man halt nichts falsch machen will. Aber wenn man die Sicherheit hat, was ich machen kann und was ich machen darf, das fühlt sich zum einen besser an und vor allen Dingen kann man auch mit dem Patienten viel mehr machen.
Also ich kann Ihnen viel besser helfen, kann zum Beispiel Nebenwirkungen viel besser lindern. Wenn ich mich gut auskenne, wenn ich mich sicher darin fühle und weiß, okay, da muss ich das beachten oder da wurde so operiert und es hilft die Übung jetzt oder die Chemotherapie macht das und das. Und ich kann jetzt zum Beispiel Lymphödeme mit den und den Übungen besser lindern oder ich kann ihnen vorbeugen. Also es ist auch für die Patienten viel besser, weil einfach viel mehr möglich ist, wenn man sich gut damit auskennt.
Ihre „Krebs-Yogis“ sagen: Sie sind gut durch die Zeit nach der Diagnose gekommen
Nella:
Hast du denn für uns ein schönes Feedback zum Schluss? Wir kommen jetzt so langsam in die Sinkphase. Hast du ein schönes Feedback von einer Schülerin oder einem Schüler oder etwas, was dein Herz so erwärmt hat?
Gaby Nele:
Ach, da wird es viele geben. Es gibt so wundervolle Feedbacks, nicht nur bei mir, sondern bei allen Trainerinnen und Trainer bundesweit. Viele schreiben mir, was sie nach der Ausbildung an Feedback bekommen haben.
Die meisten sagen immer, es hat sie wirklich durch die Zeit der Erkrankung getragen. Es hat ihnen geholfen, wieder gesund zu werden. Ich habe jetzt gerade kein einzelnes im Kopf, aber es gibt so viele wunderbare Rückmeldungen, weil es einfach Menschen in die Kraft bringt, ihnen die Ruhe schenkt, das auch durchzustehen, wieder neue Kraft zu gewinnen, wieder positiv nach vorne zu gucken.
Und ganz viele sagen, sie sind sehr dankbar, dass sie von dieser Möglichkeit erfahren haben und dass Yoga eben wirklich das ist, dass es sie durch diese Zeit getragen hat. Ich glaube, das ist die Formulierung, die oft genutzt wird, ja, dass es sie dadurch getragen hat.
Nella:
Wenn das nicht ein schöner Schlusssatz war, dann weiß ich auch nicht. Danke dafür, liebe Nele, danke auch an dich, liebe Hörerin, lieber Hörer, fürs Dabeisein und Dranbleiben. Alle wichtigen Informationen, alles Wissenswerte zu „Yoga und Krebs“ und natürlich zu Nele findest du wie immer unter dem Beitrag (in den Shownotes).
Übungsvideos auf Youtube für dich
Und diesmal was ganz Besonderes. Das hat Nele nämlich extra für „Nellas Neuaufnahme“ und das Zellenkarussell aufbereitet. Ein paar Übungsvideos, die ganz kurz sind und extra zugeschnitten auf Krebspatienten. Die solltest du dir auf jeden Fall mal angucken. Also diesmal eine absolute Klickempfehlung. Das ist wirklich sehr besonders. Ich habe es mir schon angeschaut. Wirklich toll!
Ich denke, Nele und ich konnten durch unser Gespräch, die Fragen und die erläuternden auch wissenschaftlichen Hintergründe zeigen, was Yoga alles kann. Das es zurecht in den Leitlinien der komplementären Medizin in der Onkologie aufgenommen wurde und dass es sich immer lohnt selbst aktiv zu werden.
Nachtrag: Yoga ist unabhängig von Geschlecht und Diagnose und macht dich auch mental fit für die Zeit nach der Therapie
Ein Nachtrag:
Gaby Nele hatte mich im Gespräch danach noch gebeten, auf folgendes hinzuweisen: Yoga ist für alle Krebspatienten wichtig. Sie hatte nämlich den Eindruck, sie hat sich zu sehr auf die Frauen konzentriert und vielleicht auch zu sehr auf Brustkrebspatientinnen.
Also, liebe Männer, auch ihr sollt bitte Yoga machen, wenn ihr das möchtet. Es tut euch auch gut. Ganz wichtig. Das soll ich auf jeden Fall noch mal unterstreichen.
Und eine andere Sache noch: Gerade nach der Therapie ist Yoga so hilfreich, weil viele von uns ja nach der Therapie in so ein Loch fallen. Ich selbst habe es ja auch erlebt. Du hast nicht mehr den schützenden Rahmen der Therapie und da ist Yoga unheimlich wertvoll, gerade diese Zeit abzupuffern. Und genau das war eben auch das Feedback, was sie von vielen bekommt.
Diese beiden Statements noch mal hinterhergeschoben.
A: Yoga ist für alle Krebspatienten da, egal welchen Geschlechts, egal mit welcher Diagnose und egal welchen Alters.
Und B: Gerade in der verflixten dritten Phase, wie ich sie immer nenne, die Phase nach der Therapie, ist Yoga immens hilfreich.
Einige Informationen zu meinem Talkgast:
Einige Informationen zu meinem Talkgast:
Gaby Nele Kammler bildet seit vielen Jahren Yogalehrer*innen dafür aus, Menschen mit einer Krebserfahrung kompetent und liebevoll begleiten zu können.
In medizinischen Fachkreisen zeigt sie, wie Yoga als ergänzendes Verfahren in der Onkologie eingesetzt werden kann, um neue mentale und körperliche Stärke zu erlangen.
Sie ist Gründerin und Leiterin der Kammler Akademie ‚Yoga und Krebs‚, 1. Vorsitzende der DGYO – Deutschen Gesellschaft für Yoga in der integrativen Onkologie e.V. und Referentin der Deutschen Krebshilfe.
Die Übungsvideos:
Hier ist der versprochene Link zum Youtube-Kanal mit den einzelnen Übungsvideos:
https://youtube.com/@gabykammler-yogaundkrebs8657
„Viele Übungen helfen übrigens auch prophylaktisch, z. B. um das Immunsystem zu stärken oder typischen Nebenwirkungen vorzubeugen.“, sagt Nele
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