Inhaltsverzeichnis auf einen Blick
Die gute Nachricht hat es schwer.
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Jalid Sehouli
„Zeit für gute Nachrichten.“ Aber vertragen wir die überhaupt?
Dies ist (fast) das original Transskript zur #16 Podcastfolge von Nellas Neuaufnahme.
Hier der Link zur Tonspur.
In Vorbereitung zu diesem Gespräch mit Professor Dr. Sehouli von der Charité, den ich gleich genauer vorstellen möchte, bin ich auf eine Geschichte gestoßen, die sehr eindrücklich vermittelt, worum es gehen soll:
Ein Professor verteilte zu Beginn seines Seminars ein Aufgabenblatt. Doch statt der üblichen Aufgabenstellung war fast mittig auf dem Blatt nicht mehr als ein unregelmäßiger schwarzer Punkt zu sehen. „Ich möchte Sie bitten, aufzuschreiben, was Sie auf dem Blatt sehen“, sagte der Professor.
Die Studierenden waren erstaunt, begannen jedoch sofort mit ihrer Arbeit.
Das Ergebnis war das Folgende: Alle hatten ausnahmslos den schwarzen Punkt in Position und Farbverlauf beschrieben, niemand aber hatte die weiße Fläche drumherum ins Spiel gebracht.
Ich fürchte, ich hätte die Aufgabe sehr ähnlich gelöst.
Wir sind zu sehr auf schlechte Nachrichten trainiert
Genau hierrüber möchte ich mit Prof. Sehouli philosophieren.
Ich begrüße Sie sehr herzlich, lieber Herr Professor und möchte Sie den wenigen, die sie noch nicht kennen vorstellen.
Prof. Dr. Jalid Sehouli ist eine echte Berliner Pflanze.
Er ist Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie (Campus Virchow) und Klinik für Gynäkologie (Campus Benjamin Franklin) an der Charité Berlin.
Außerdem ist er Leiter des Gynäkologischen Tumorzentrums und Europäischen Kompetenzzentrums für Eierstockkrebs (EKZE). Dazu noch stellvertretender Direktor des Charité Comprehensive Cancer Centers (CCCC)
Und schließlich Schriftsteller und Podcaster.
Ich hoffe, ich habe jetzt nichts vergessen. Kurz, Prof. Sehouli ist das, was man einen Tausendsassa nennt.
Meine erste Frage an Herrn Prof. Sehouli:
„Fällt es Ihnen auch manchmal schwer, Ihren Fokus auf das weiße Blatt zu verlegen, weg vom dunklen Fleck?“
[Minute: 02:32] – Prof. Sehouli
Ja, das ist glaube ich, ist für uns alle eine große Herausforderung, dass man eben sich nicht zu sehr ablenken lässt und vor allem auch so eine Grundhaltung aufrechterhält. Aber meine Grundhaltung ist grundsätzlich eher positiv. Deswegen würde mich dieser schwarze Punkt zwar vielleicht für einen Moment irritieren, aber nicht ablenken.
[Minute: 02:55] – Nella
Hätten Sie das weiße Blatt, also die weiße Fläche drumherum beschrieben?
Prof. Sehouli
Ja.
[Minute: 03:03] – Nella
Wow. I am impressed.
Was ist überhaupt eine gute Nachricht?
Was meinen Sie, wie klassifiziert man überhaupt gute Nachrichten?
[Minute: 03:18] – Prof. Sehouli
Das ist eine sehr interessante Frage. So verrückt das auch klingt. Wir sind alle so sozialisiert, dass eigentlich immer nur und genau das Entgegengesetzte fragen Wie sieht denn eine schlechte Nachricht aus?
Eine schlechte Nachricht ist also eine Nachricht, die potenziell den Blick auf das Morgen und Übermorgen negativ verändern kann. Würde im Umkehrschluss heißen, dass eine gute Nachricht eine Nachricht ist, die grundsätzlich die Kraft in sich birgt, das Sehen, das Schmecken, das Riechen am morgigen Tag positiv zu beeinflussen. Würde also auch bedeuten, dass eine gute Nachricht eine Nachricht ist, die meine Seele stärkt oder stärker macht, das wäre eine gute Nachricht.
Botschaften haben immer etwas mit Beziehungen zu tun
[Minute: 04:09] – Nella
Letztens habe ich darüber mal mit meinem Mann gesprochen, Der ist 1. FC Köln Fan. Also, wenn der 1. FC Köln gewinnt, ist das natürlich toll. Aber wenn er gegen Borussia Dortmund spielt, finde ich das persönlich dann wieder nicht so toll. Für ihn ist das eine gute Nachricht, für mich dann weniger. Es kommt auch immer auf die Perspektive an.
[Minute: 04:26] – Prof. Sehouli
Genau. Es gibt, glaube ich, zwei Dinge, die wir bei diesen guten oder schlechten Nachrichten unterscheiden müssen. Einmal geht es nur um die Nachricht. Zum Beispiel, wenn der Polizisten über negative Dinge zu berichten hat. Und dann gibt es aber Botschaften, die auch etwas mit Beziehung zu tun haben. Und das sind, glaube ich, zwei Dinge, die in der Medizin, ganz besonders aber auch im Privaten, von ganz anderer Bedeutung sind. Da geht es ja nicht nur um den Informationsgehalt, den wir übermitteln wollen, sondern was macht diese Botschaft oder Information mit unserer Beziehung?
Und das kann sowohl auf der Patientenebene sein, als auch beim Lebenspartner. Und deswegen hat das auch eine andere Bedeutung und vor allem auch eine andere Kraft in sich, weil die Beziehung letztendlich über dem Informationsgehalt steht.
Das heißt, wenn die Beziehung gut ist, dann ist die gute Nachricht wahrscheinlich dienlich. Wenn die Beziehung schlecht ist, kann eine gute Nachricht häufig auch nicht das erreichen, was sie erreichen könnte. Und andersherum ist das in der Medizin ebenso, dass man sich immer wieder bewusst macht, dass es die Beziehung ist, die letztendlich den Unterschied macht.
[Minute: 05:47] – Nella
Da muss ich in diesem Punkt noch mal in mich gehen (lächelt).
Warum tun wir uns denn überhaupt so schwer, gute Nachrichten an uns heranzulassen? Habe ich mich gefragt.
[Minute: 05:56] – Prof. Sehouli
Das ist tatsächlich eine bisher nicht leicht zu beantwortende Frage. Und ich habe auch wie Sie immer wieder so eine Sehnsucht, endlich mal was Gutes zu hören. Und es gibt ja auch Webseiten beispielsweise und es gibt sogar Zeitungen, die versucht haben, nur gute Nachrichten zu berichten. Also zum Beispiel, dass der 1. FC Köln gewonnen oder nicht so hoch verloren hat. Aber auch zum Beispiel über Dinge im Ausland berichtet, dass beispielsweise neue Gesetze für Geflüchtete oder das Klimathema eingesetzt worden sind.
Für gute Nachrichten braucht man viel mehr Energie und Empathie
Und dann merkt man sehr schnell, dass es mehr Kraft kostet, gute Nachrichten zu lesen. Und es gibt sogar neuroimmunologische oder neurokognitive Studien, die zeigen, dass wenn man eine gute Nachricht annehmen möchte, mehr Energie aufbringen muss, weil man Empathie aufbringen muss. Empathie bedeutet auch, sich selbst für den anderen Menschen zu freuen. Es ist viel leichter zu sagen: „Das ist die schlechte Nachricht“ und sie von mir weg zu halten. Das geht leichter und geht schneller, als wenn ich sage: „Oh, das ist ein super Ergebnis, weil wie gesagt ich mich ja mit diesem Menschen identifizieren muss, damit ich die freudige Nachricht auch empfinden kann.
Und deswegen kann es sein, dass es sogar evolutionstechnisch so einen Vorteil gibt für negative Nachrichten. Ich glaube aber, dass das nur ein Teil der Antwort ist, weil wir eben sehr schnell sozialisiert werden. Uns bereits als Kinder oder Erwachsene sehr viel mit negativen Dingen beschäftigen. Aber das Gute als selbstverständlich sehen oder blind sind für das Gute. Und das ist das, was wir in der Medizin auch immer wieder sehen. Dass man ein Liter Blut abgibt, vielleicht drei, viermal in die Vene daneben gestochen worden ist und der Arzt nur dann eine Information gibt, wenn irgendetwas nicht normal ist, was ja nicht gleich heißt, dass es krank ist, aber man nichts davon hört, dass die 98 anderen Faktoren, die man untersucht hat, alle bestens waren.
Man hört, Kalium war nicht in Ordnung, Eiweiß war zu niedrig.
Von 13 Patientengesprächen waren zehn gut – das hatte aber keine Seite so wahrgenommen
Deswegen müssen wir eben sehr früh anfangen, das Gute erst mal wahrzunehmen.
Ich habe das mal gemacht. Ich habe hier, wo wir uns gerade befinden, ein Tagebuch angelegt und habe dann geschaut, wenn eine Patientin reinkam, war das eher ein gutes Gespräch, weil es eine gute Nachricht gab oder war es ein nicht so gutes, weil es eine negative Nachricht gab. Und war nachher ganz überrascht: Von 13 Gesprächen waren zehn eher gut.
Drei hatten eher eine schlechte Nachricht in sich getragen und das Verrückte war, dass diese zehn guten Nachrichten häufig weder den Patienten noch mir bewusst waren, weil man es so hinnimmt. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir das einmal erkennen, aber es auch artikulieren und visualisieren.
Gute Nachrichten müssen hervorgehoben werden, sonst plätschern sie dahin
Das bedeutet, dass, wenn eine gute Nachricht da ist, dass genauso ankündige, das festhalte und auch vielleicht mitteile: Was bedeutet denn dieses gute Ergebnis? Was bedeutet das? Das könnte zum Beispiel sein, dass man in Zukunft weniger einen Arzt sehen muss oder eine weitere Operation nicht notwendig ist.
Aber das muss man aussprechen, sonst plätschert das so vor sich hin. Es ist gut, aber keiner merkt es und das ist schade.
[Minute: 09:40] – Nella
Da muss gerade sehr schmunzeln, weil ich das natürlich sehr gut kenne und ich auch mit meinem Mann öfter solche Gespräche hatte. Dann war irgendwas und dann sagt er: „Aber das ist doch im Grunde erst mal gut.“ Da musste ich dann erst mal innehalten und sagen: „Ja, ja, stimmt, eigentlich hast du Recht.“ Es ist wirklich schwierig, sich das Verhaltensmuster abzutrainieren.
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Negative Nachrichten aktivieren unser Abwehrsystem und machen uns sofort wach
Vielleicht hat es aber auch evolutionstechnisch Gründe, so habe ich mir das erklärt, weil negative Nachrichten ja auch unser Alarmsystem wecken.
Wir mussten ja früher schauen, in den Höhlen, dass wir irgendwie überleben. Und das ist wahrscheinlich so in unserer Ursuppe drin, dass unser Alarmsystem sofort angeschaltet wird, wir knallwach sind, was bei guten Nachrichten nicht so ist, weil gute Nachrichten sich auch langsamer aufbauen. Schlechte Nachrichten sind wie ein Tsunami. Das kommt plötzlich von Jetzt auf Gleich.
Gute Nachrichten haben eben nicht diese Wucht, um von uns registriert werden zu können.
„Es fehlt die Dankbarkeit für die Möglichkeiten.“
[Minute:10:41] – Prof. Sehouli
Vielleicht ist da auch ein bisschen dran, ich glaube, dass das wahrscheinlich getriggert ist. Aber wenn man sich viele andere Kulturen anschaut, habe ich durchaus das Gefühl, dass wir in Deutschland oder in Europa sehr negativ sozialisiert sind und ich immer wieder Menschen aus anderen Kulturkreisen erfahre – das mag naiv klingen – die gehen anders damit um. Wenn ich frage: Wie geht´s? Und die haben Schmerzen und mir dann entgegnen: „Ja, aber Gott sei Dank geht es mir eigentlich noch ganz gut.“
Uns (Europäern) fehlt so ein bisschen, manchmal, so ist mein Gefühl, die Dankbarkeit über das, was wir gerade erleben. Wir sind so trainiert, dass wir immer das Beste, das „Maximalste“ wollen.
Das hat vielleicht auch was mit der Umwelt zu tun, dass uns auch die Medienwelt immer suggeriert, dass wir alle schön, jung und immer unsterblich sind. Auf der anderen Seite sind wir vielleicht auch nicht so gut trainiert, uns davon abzugrenzen. Aber ich habe schon manchmal das Gefühl, dass es durchaus anders geht und dass wir, wenn jemand, obwohl es ihm schlecht geht, sagt: „Gott sei Dank, mir geht es ganz gut.“, wir eigentlich schon fast eine Krankheit dahinter vermuten und sagen: „Da ist irgendwas nicht in Ordnung.“
Ich denke, dass wir zu wenig dankbar sind, und zwar über die Möglichkeiten, die es gibt. Das sehen wir jetzt beim Impfen. Das ist eigentlich eine Möglichkeit, ein Geschenk, aber das ist extrem negativ besetzt.
Entscheide dich für die Blume
[Minute: 12:03] – Nella
Das der Impfstoff so schnell und dass er überhaupt kam, damit hat ja keiner gerechnet.
Ich kann mich zum Beispiel an eine private Geschichte erinnern die direkt vor unserer Haustür spielte. Da lag ein Hundehaufen direkt vor dem Eingang – für Berlin sehr typisch, leider. Aber daneben war eine wunderschöne Blume. Mein Mann hat sich über diesen Haufen aufgeregt und ich habe gesagt: „Aber guck dir doch mal die tolle Blume an, ist die nicht toll?“
Gut, das ist jetzt sehr plakativ, aber irgendwie ist es doch so, dass wir öfter mal auf die Blumen schauen sollten, aber wir suchen ja förmlich nach den anderen, den schlechten Dingen.
Das Wohlfühlglück und das Werteglück
Dafür gibt es eine gute Technik, das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs. Das man sich wirklich notiert, welche drei Dinge waren gut am Tag? Und jetzt kommt das Interessante, das habe ich mal bei Martin Seligmann gelesen (der Begründer der Positiven Psychologie), dazu überlegt man sich, was habe ich dazu beigetragen, dass diese drei Dinge so gut für mich waren.
Das macht dann den Unterschied zwischen „Wohlfühl-Glück“ und „Werte-Glück“ aus. Also ich gebe dem Wohlgefühl auch noch mal eine Wertigkeit, in dem ich dann schaue, was habe ich selbst dazu beigetragen. Das fand ich überzeugend. (Dazu habe ich übrigens auch einen eigenen Beitrag verfasst „Frau Nella sucht das Glück“. Den verlinke ich unten für dich.)
Was war das Gewürz, das deinen Tag hat gut werden lassen?
[Minute:13:19] – Prof. Sehouli
Ich glaube auch, dass das gar nicht schlecht ist, dass man ein bisschen damit experimentiert und auch genauer schaut, wie man diesem Guten etwas Erlebbares und Emotionales abverlangt. Lernpsychologisch ist es immer besser, man lernt mit Emotion, mit seinen eigenen vor allem. Und deswegen finde ich das gar nicht so schlecht. Dieses Debriefen oder dieses Reflektieren, was gut gelaufen ist, ist eine Perspektive, die wir häufig vernachlässigen.
Man kann sich beispielsweise beim Fehlermanagement über Unfälle, über „Beinahe-Unfälle“ Gedanken machen, aber man kann auch versuchen anders drauf zuschauen. Zum Beispiel: Heute sind 20 Millionen Flugbewegung gewesen und sich die Frage stellen, warum das eigentlich so gut gelaufen ist? Und was sind denn vielleicht die Gewürze, dass heute der Tag richtig gut war? Was war das? War das, das Gespräch mit meiner Partnerin? War das der Spaziergang oder war es die Nachspeise?
Das man sich das einfach noch mal überlegt, ohne das gleich abschließend zu bewerten, was waren denn die positiven Elemente, um das vielleicht in einer anderen Situation auch ganz proaktiv zu planen? Also die schlechten Dinge, sage ich immer, kommen sowieso, und zwar in der Regel unerwartet. Aber die guten, die könnte man eigentlich planen. Ob es eine Feier ist, ob es eine Begegnung ist oder ob es ein tiefes Gespräch ist.
Welche Nachricht zuerst? Die gute oder die schlechte oder umgekehrt?
[Minute:14:52] – Nella
Da kommt jetzt gleich meine nächste Frage, glaube ich, ganz gut. Wie halten Sie es dann mit der Reihenfolge? Erst die gute, dann die schlechte oder erst die schlechte, dann die gute? Wenn man das jetzt mal auf Ihre Patientinnen bezieht.
[Minute: 15:11] – Prof. Sehouli
Das kann man jetzt nicht als Gesetz festlegen, es hängt natürlich immer davon ab, was das für ein Thema ist. Wichtig ist bei der Überbringung einer schlechten Nachricht ist, dass man ehrlich ist, dass man direkt ist und dass man den Menschen abholt. Das heißt, wenn jemand eine Gewebeprobe hat und man hat vorher schon gesagt, es sieht nicht gut aus und die Person kommt zu Gewebeprobe, dann ist das relativ klar, dass man sehr schnell zur Antwort kommen sollte, weil der Patient ja schon vorbereitet ist.
Über allem steht die Ehrlichkeit
Und da macht es keinen Sinn, dass wir jetzt über die erste oder zweite Bundesliga unterhalten. Und wichtig ist, dass man erstmal die Wahrheit rauslässt. Und dann muss man schauen Was ist das Gute im Schlechten? Und es gibt manchmal eine Möglichkeit, auch das Gute im Schlechten zu finden. Ich will nur davor warnen zu glauben, dass auch immer eine gute Nachricht in einer schlechten steckt. Das ist nicht so und jeder, der sehr schwierige Nachrichten zu übermitteln hat, also dem Tod eines Angehörigen, ein Verlust eines Kindes oder auch der Verlust eines Arbeitsplatzes. Das kann schon sehr, sehr negativ sein.
Da macht es keinen Sinn zu sagen: „Sie haben ein Kind verloren, aber Sie können ja noch ein Kind kriegen.“ Das macht man nicht. Das könnte man ja sagen, aber es macht gar keinen Sinn. Selbst bei einer Fehlgeburt muss man erst mal Raum lassen für den Schmerz, für den Verlust.
Die gute Nachricht in der schlechten kann auch heißen: „Wir lassen Sie nicht allein.“
Aber das Gute in einer schlechten Situation wie dieser kann durchaus sein, dass man sich wieder verabredet, dass man sagt, man lässt sie nicht allein oder man organisiert etwas oder entlastet die Menschen für Formalitäten.
Das kann auch eine gute Nachricht sein. Es muss nicht immer die gute Nachricht sein in einer schlechten Nachricht, sondern es kann auch die gute Tat in einer schlechten Nachricht, einer schlimmen Situation sein, weil sonst kann es sehr schnell künstlich wirken und auch unempathisch, wenn man die Trauer nicht zulässt und eben in einer oberflächlichen Metaebene bleibt und dem Menschen nicht zutraut, dass er auch diesen Schmerz des Verlustes, der Trauer aushält.
Ein „Super-Plan“ ist häufig leichter, als die Trauer auszuhalten
Deswegen fange ich jetzt nicht mit einer guten oder schlechten Nachrichten an, sondern in dieser Situation geht es eher um die Beziehung und um die Ehrlichkeit.
Und das nehmen die Patienten häufig auch sehr, sehr gut an, dass man eben ehrlich ist. Und nicht gleich mit einem neuen Plan kommt.
Das ist etwas, was Angehörige manchmal tun, dass sie einfach mit einem neuen „Super-Plan“ kommen, mit einem neuen „Super-Medikament“ oder einer „Super Pflanze“.
Wobei es manchmal leichter erscheint, einen Plan auszurufen, als zu schweigen und zu trauern, zu weinen. Und die Emotionen des Menschen auszuhalten, den Schmerz, die Trauer, die Albernheit, die Skepsis. Das ist viel stärker.
Das wird aber bei vielen Menschen häufiger viel wertvoller angenommen und wahrgenommen, als dann über eine neue „Kräuter-Tour“ zu reden.
Gibt es die schönste gute Nachricht?
[Minute: 18:30] – Nella
Wahrscheinlich ist das manchmal auch so eine Art Übersprungshandlung.
Was war denn Ihre schönste gute Nachricht, die Sie hatten? Haben Sie da so was, wo Sie jedes Mal innerlich anfangen zu lächeln und denken: Mensch, daran erinnere ich mich so gerne zurück. Das war so schön, das zu sehen, wie sich dann auch alle mitgefreut haben. Gibt es sowas?
[Minute:18:55] – Prof. Sehouli
Nein, fällt mir nichts ein, weil das wäre so wie: „Was war denn Ihre schlechteste Nachricht, die kann man gar nicht verwerten.
Ich komme jetzt gerade aus einer Visite und da habe ich mehrere Frauen besucht, die unheilbar krank sind. Und was für mich schön ist, das waren sehr skeptische, sehr ambivalente Gespräche am Anfang. Macht das überhaupt Sinn, in einer unheilbaren Krankheit noch mal eine Operation durchzuführen? Ist das ein Wagnis? Wie geht man mit dem Risiko von Komplikationen um? Was gewinnt dieser Mensch mit dieser Behandlung?
Und ich war jetzt gerade bei zwei, die sehr skeptisch waren. Aber als ich die Visite reinging, habe ich mich richtig gefreut für sie. Und das verbindet. Sie haben sich auch gefreut. Und das ist eine aufrichtige Freude, weil ich auch wusste, wie sensibel und verletzlich die Situation gerade ist. Das sind für mich sehr schöne Nachrichten. Die haben zwar einen künstlichen Darmausgang, sind aber total glücklich.
„Aus einer sehr schwierigen Situation trotzdem eine positive Beziehung oder eine positive Situation machen, gibt mir Mut und Bestätigung.“
Und die eine Patientin sagte, sie wollte auf die Palliativstation, aber jetzt hat sie sich fest vorgenommen, sie fährt nach Hause, nach Dänemark. Und das war er vor wenigen Tagen gar nicht möglich. Und das finde ich, das ist das, was einen verbindet. Und das unterstreicht auch meine Wahrnehmung, dass es um die Gespräche geht, aber es geht um die Beziehung. Und zwar eine Beziehung auf einer Herzensebene, die auch professionell ist.
Und die andere sagte: „Herr Prof. Sehouli, ich würde sie gern umarmen.“ „Aber ja, machen Sie es doch!“ Und das ist auch eine Erkrankung mit einer Metastase im Bereich der Scheide, wo die Patienten keine Chemotherapie wollte und die mir dann mit ihrem Berliner Dialekt sagte: „Ich komme zu Ihnen, aber nicht mehr dieses Jahr, Anfang nächsten Jahres.“ „Naja, okay, alles klar.“ Das muss man zulassen. Das ist das, was mir innerlich auch, sag ich mal, sehr, sehr viel Kraft gibt. Das es doch die Beziehung ist.
Es ist ein Wagnis, eine Therapie zu starten und auch weil es so verletzlich ist. Man kann so viel kaputt machen, auch an Lebenszeit. Und wenn es gelingt, es gelingt leider nicht immer, dann kann man aus einer sehr schwierigen Situation trotzdem eine positive Beziehung oder eine positive Situation machen. Es ist nicht alles wunderbar, aber für mich persönlich gibt es sehr, sehr viel Mut und auch Bestätigung, dass das der richtige Ansatz ist.
Gute Nachrichten machen keine Quote
[Minute: 21:30] – Nella
Jetzt überlege ich, wie ich den Übergang hinkriege zu einem anderen Themenbereich. Und da können wir natürlich auch die Medien nicht draußen lassen. Das ist ja ganz logisch bei dem Thema Gute Nachrichten. Es heißt ja in der Medienwelt immer so schön: Gute Nachrichten machen keine Quote.
Und jetzt sowieso. Wir werden ständig mit einem Szenario der Angst, konfrontiert. Warum meinen Sie, ist das so, dass (von den Medien) ständig nur schlechte Nachrichten kommuniziert werden? Könnte man nicht mal versuchen, hier und da etwas Positives rein zu streuen oder den Fokus anders zu legen?
[Minute: 22:15] – Prof. Sehouli
Ich denke schon, dass man das anders machen könnte, aber es gibt ja diese Untersuchung des Terrorangriffes beim Boston-Marathon. Und da hat man bei den die Menschen den Stresslevel gemessen, die tausende von Meilen davon entfernt waren, die das aber über die Medien, über Social Media und so weiterverfolgt haben. Und die hatten höhere Stresslevel als die Menschen, die bei dem Marathon selbst verletzt wurden. Was ich damit sagen möchte ist, dass diese Information in einer virtuellen Welt sich viel einfacher multiplizieren lässt.
„Der Mensch hat Angst vor Menschen.“
Dass die Medien auch wissen, dass sich negative Nachrichten häufiger besser verkaufen als schlechte. Aber ich denke, dass es auch im Journalismus um Werte geht und wir letztendlich auch einen gesellschaftlichen Auftrag haben, die Welt so abzubilden wie sie ist. Die Welt ist gar nicht so schlecht, wie wir denken. Aber man muss die Menschen auch abholen, um diese Empathie zu spüren. Ich glaube, was unser Hauptproblem ist, dass wir Angst vor Menschen haben.
Der Mensch hat Angst vor Menschen, er hat Angst vor Gesprächen. Er hat Angst von Reflexionen, vor anderen Meinungen. Und er denkt, er kommuniziert, aber er kommuniziert in einer artifiziellen Welt, die wenig die persönliche Begegnung in sich trägt und deswegen laufen Instagram und WhatsApp besser, als das Telefongespräch und das Telefongespräch läuft viel besser als die Begegnung im Café, die Verabredung.
„Das Gespräch ist der Kern der Innovation.“
Ich glaube, wir müssen den Menschen wieder beibringen, dass der Kern der Innovation, aber auch der Veränderung, aber auch der Entschleunigung das persönliche Gespräch ist.
Das bedarf aber einem Raum und es bedarf auch einer Haltung zuzuhören, ohne gleich zu bewerten. Es ist für uns ganz leicht, die Zeitung aufzuschlagen und jemand bewertet für uns, was wichtig ist. Gibt uns schon eine Richtung vor, wohin das geht. Und deswegen kann ich Ihnen verraten, dass ich schon seit über 10 Jahren wahrscheinlich keine Nachrichten mehr sehe. Ich natürlich informiert bin, man kommt gar nicht an Information vorbei.
Man geht davon aus, dass ich, wenn ich von zu Hause in die Klinik komme, ich schon auf dem Weg hierher etwa 500 Nachrichten, begegne. Nachrichten bedeutet die Werbung erzählt mir irgendetwas, das kann ein Plakat sein oder etwas anderes. Wir werden immer wieder mit Informationen besetzt und ich habe das jetzt so für mich geregelt, dass ich nahezu immer Vertraute habe für alles. Bedeutet, ich kenne Leute in der Politik, ich kenne Leute, die aus dem Sport sind und ich kenne Leute aus der Kultur und Literaturszene. Und die kenne ich ganz gut, das sind Freunde von mir und die frage ich dann regelmäßig: „Wie ist das denn?“
Die negativen Nachrichten finden immer einen Weg
Und ich habe erst vor ein paar Tagen auf dem Kongress jemanden aus Ägypten bei mir gehabt und dann habe ich gefragt: „Wie ist denn jetzt die politische Lage in Ägypten?“ Weil mich das Volk interessiert. Und wenn ich jetzt heute die Zeitung aufmache, kann ich jetzt schon sagen, steht darüber nichts drin, sondern die Zeitung sagt mir, welchen Herd ich in der Welt gerade lesen soll. Und das ist für mich eine Entscheidung, die ich getroffen habe.
Und interessanterweise kriegt man nahezu alle negativen Nachrichten trotzdem mit. Das ist manchmal ein bisschen verzögert, aber es ist ja nicht so schlimm. Man kriegt die immer mit, denn irgendeiner erzählt immer von dieser schlechten Nachricht. Und dann entscheide ich persönlich, ob ich mich damit beschäftige oder nicht. Ich denke wie gesagt, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben, auch die guten Nachrichten zu platzieren. Man sieht auch immer wieder so ein paar Insellösung und ich glaube, das ist auch grundsätzlich eine Sehnsucht nach was Schönem und etwas Gutem.
Da wir aber eben nicht genau wissen anscheinend, was gut für alle ist, gehen wir über die Angst, über die Sorgen, weil die sich relativ leicht verbreiten lässt und wahrscheinlich auch das Interesse einer großen Mehrheit gewinnt.
„Nachrichtendetoxen“ und das Gespräch suchen
[Minute: 27:01] – Nella
Ich mache das übrigens sehr ähnlich. Zwar noch nicht so konsequent, aber „Nachrichtendetoxen“ mache ich spätestens seit Corona, weil ich gesagt habe, ich werde sonst – sorry – bekloppt. Das geht einfach nicht mehr. Vor allen Dingen in dieser Kürze und immer wieder eigentlich dasselbe und dann noch mal anders und dann noch mal in der Talkshow. Da habe ich mich – mein Verhalten – komplett verändert.
Was mir dazu gerade einfällt: ich habe es ja auch so ähnlich gemacht, als ich meine Diagnose Non-Hodgkin-Lymphom im Vierten Stadium bekommen habe. Ich hätte auch alles lesen können, was es im Internet gibt. Aber ich habe es anders gemacht. Ich habe das Gespräch gesucht. Ich habe genau das gemacht, was sie beschrieben haben. Mir zu diesem „Inselthema“ verschieden Ärzte gesucht, mir verschiedene Perspektiven eingeholt, um mir selbst ein Bild machen zu können.
Wenn ich mir das alles durchgelesen hätte, wäre ich komplett überfordert gewesen, hätte wahrscheinlich auch die falschen Schlüsse gezogen. Und deswegen finde ich das sehr gut, da noch mal darauf hinzuweisen: Leute, sucht das Gespräch, fragt doch lieber mal nach.
Also ich glaube auch, man sollte sich – wenn es möglich ist – selbst ein Bild machen. Das gilt für viele Dinge und könnte helfen.
„Die menschliche Quelle sollte so nah wie möglich sein.“
[Minute: 28:24] – Prof. Sehouli
Absolut. Ich denke, dass die menschliche Quelle eben so nah wie möglich ist (sein sollte). Deswegen finde ich das auch relevant. Unabhängig davon, dass man diese ganzen Texte gar nicht überprüfen kann. Und zwar nicht im Sinne des Wahrheitsgehaltes, sondern was ist denn wirklich wichtig? Darum geht es ja auch. Es muss zu mir passen und vor allem kann ich nicht über Nacht zum Lymphom-Experten werden. Das geht gar nicht. Sie können einen Geschmack kriegen, einen Geschmack dafür, wie kompliziert das alles ist.
Aber am Ende des Tages braucht man einen Menschen, der einen sieht und wo man auch das Gefühl hat, der weiß, wovon er redet oder arbeitet. In einem Netzwerk, wo man miteinander reden kann und delegieren kann. Darum geht es letztendlich ja. Und deswegen würde ich das auch so unterstreichen. Man sollte immer das menschliche Gespräch suchen. Ich merke das auch grundsätzlich, selbst bei mir.
Eine E-Mail führt selten zu einem guten Gespräch
Es ist manchmal so einfach, eine E-Mail zu schreiben, um sich zu entlasten, aber die führt ganz selten zum wirklich guten Gespräch. Deswegen ist viel besser, man schreibt: „Geben Sie mir Ihre Nummer und ich rufe Sie einfach an.“ Aber man merkt, wie viel Energie das kostet. Von der Zeit ist das allerdings nicht weniger. Das ist sogar manchmal effektiver. Ich sehe manchmal, wie die E-Mails geschrieben sind. Es sind zwei Seiten E-Mails ohne Rechtschreibfehler. Es muss ein Tagesprojekt gewesen sein. Das kann man in zwei Minuten im Gespräch lösen.
Für mich ist eine E-Mail nur eine reine Botschaftsübermittlung. Kurz und alles was länger als drei Zeilen ist, kann ich jetzt schon sagen, lese ich kaum. Ich schreibe dann: „Bitte anrufen oder wie erreiche ich Sie?“ Wenn es mehr als drei Zeilen lang ist, kann man es auch gar nicht beantworten und lösen mit einer zweiten Mail.
[Minute:30:45] – Nella
Zehn Topics in einer Mail, das ist einfach zu viel, das sehe ich genauso. Um noch mal auf die positiven Sichtweisen zu gehen.
Können positive Sichtweisen das Leben verlängern?
Ich habe mal gelesen, dass sich angeblich gute Nachrichten, wenn man die mehr an sich heranließe, lebensverlängernd auswirken würden. Also eigentlich wäre das doch super. „Anti-Aging“ über die positive Sichtweise. Da könnte man sich (als Gedanken) aufrufen und sagen, lasst sie doch einfach mehr zu, das könnte euer Leben verlängern oder ist das jetzt zu provokativ?
[Minute: 30:46] – Prof. Sehouli
Natürlich ist das methodisch schwer zu beweisen. Aber andersherum, wenn man sich nur mit schlechten Nachrichten beschäftigt, ist das nicht gesundheitsstärkend.
Gesundheit bedeutet ja nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation soziales, körperliches und seelisches Wohlbefinden. Und es ist ja selten so, dass man ein seelisches Wohlbefinden erreicht, indem man sehr viele negative Nachrichten um sich herum hat.
Und deswegen würde ich sagen Ja, es ist gesundheitsfördernd, sicherlich und dienlich und umgekehrt, wenn ich mich mit negativen Nachrichten beschäftige und vor allem das auch eigentlich gar nicht will, dann reagiert mein Körper wahrscheinlich auf irgendeine Art, dass er sich das sich nicht mehr antun möchte, auf irgendeine körperliche Art. Das kann aber auch seelischer Art sein. Das würde ich unterschreiben.
Ob es aufs Überleben tatsächlich Einfluss hat, das weiß ich nicht.
Das Leben ist und bleibt ein Geheimnis.
Tut uns Instagram gut?
[Minute: 31:54] – Nella
Schön gesagt.
Gehen wir jetzt trotzdem mal auf dieser gedanklichen Schiene weiter, dann sollten wir jetzt alle mal zu Instagram wechseln, weil da ja nur die positiven Sachen/Themen sind.
Dazu habe ich letztens was Schönes gelesen, einen sehr passenden Post.
Da wurde gefragt: „Wann ‚entfolgst‘ du? Und jemand antwortete: „Wenn es zu negativ wird, da komme ich aus meinem Fluss.“
Das fand ich sehr aufschlussreich. Also Instagram scheint eigentlich ganz gut (für uns) zu sein, uns gut zu tun.
[Minute: 32:26] – Prof. Sehouli
Ja, es ist schon richtig, dass es überwiegend positive Geschichten sind. Es ist ja auch leicht, ein kurzer Post und eher was Nettes ja, das könnte vielleicht ein Hinweis sein, dass tatsächlich die Sehnsucht nach guten Nachrichten da ist. Aber wie gesagt, ich denke, dass die Nachricht hier eine Ebene ist. Die zweite Ebene ist aber die Beziehung und da weiß ich jetzt nicht, wie gut Instagram. Für die Beziehungswelt ist. Ich markiere dich, du markierst mich, ich folge dir, du folgst mir.
[Minute: 33:01] – Nella
Das kann schon passieren. Ich habe schon einige „Beziehungen“ aufbauen können. Und wir haben uns dann auch treffen können, weil diese Menschen hier in Berlin leben. Das findet schon statt. Da war ich selbst sehr erstaunt, muss ich sagen.
Der Kanal, der zu dir und deinem „Kommunikationscharakter“ passt
[Minute: 33:13] – Prof. Sehouli
Aber wahrscheinlich ist das auch andersrum. Man hat eine Haltung, man hat einen Charakter der Kommunikation und dann untersucht man verschiedenste Informationskanäle und dann kann es passen. Ja, ich glaube, es ist nicht, dass Instagram per se, sondern es ist die Möglichkeit miteinander in Beziehung zu gehen, nach einer bestimmten Präferenz, und das kann eine Präferenz sein der Visualisierung, der Bilder, der Bewegung und wenn man dann noch die richtigen Menschen findet, dann kann es auch wie ein gemeinsames Hobby sein.
Also meine Frau mag auch Instagram, interessanterweise. Wir haben auch noch andere Gemeinsamkeiten, aber wahrscheinlich trifft man sich und es gibt wahrscheinlich andere, die dann aber lieber miteinander morsen oder Radio hören. Ja, und deswegen ist es glaube ich ganz wichtig, das Informationstool entsprechend seiner individuellen Präferenz zu finden. Deswegen bin ich heute auch mit ihnen hier unterwegs. Ich mag Podcasts total. Ich mag das, weil ich finde, dass das Medium für eine Stimme ohne Bilder extrem stark ist.
Der Algorithmus und die Verantwortung von facebook und google
[Minute: 34:26] – Nella
Es entspannt auch so schön, finde ich. Ich bin auch so ein „Radio-Kind“, war ich schon immer. Deswegen mache ich das wahrscheinlich auch mit dem Podcast.
Ich habe vor kurzen, allerdings in den Tagesthemen trotz „Nachrichtendetoxen“, was sehr Interessantes gesehen oder besser gesagt, gehört. Und zwar von einem Schlecky Silberstein (schlecky silberstein – Bing), eigentlich Christian Brandes (Christian Brandes (Autor) – Wikipedia) . Da ging es um digitale Welten und digitale Ethik.
Und der sagte, Facebook und Google hätten auch eine Verantwortung durch die Algorithmen. Wenn ich zum Beispiel nach negativen Sachen suche, wird auch ein Algorithmus in Bewegung gesetzt und dann spielen die immer das Negative auch immer weiter nach oben. Man könnte diese Algorithmen auch positiv beeinflussen. Das machen die aber nicht.
Andersherum könnte man ja dann sagen „Okay, Leute, googelt doch mal mehr nach den guten Nachrichten, dann spielt euch der Algorithmus auch wieder die guten Nachrichten zu. Wäre das eine Möglichkeit?
Tracken. Skalieren. Austauschen.
[Minute: 35:28] – Prof. Sehouli
Dieses Tracking ist ja bekannt, bei Handtaschen und bei Schuhen gibt es das, sicherlich auch bei den Nachrichten, absolut. Das wäre eine Möglichkeit. Ich denke wie gesagt, wir sollten Journalismus und auch Informationsübermittlung unter dem Aspekt der Beziehung anschauen und irgendwie in der digitalen Welt auch Möglichkeiten anbieten, dass sie sich eben auch körperlich und physisch treffen könnten oder müssen, sich austauschen und skalieren können.
Das heißt, wenn ich jetzt nur spreche und ich die Lust habe, auch dem Menschen visuell zu begegnen, dass ich das skalieren kann und vielleicht auch in Räume, wo ich mich bereichern oder auf neue Ideen kommen könnte, das wäre interessant, ja.
Das ist wahrscheinlich diese „artificial intelligence“, die es aber schon gibt und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie nicht doch beachtet und auch versucht wird, zu verändern. Man weiß das ja bei Wahljahren, dass man durchaus über solche Algorithmen Menschen zu einer bestimmten Wahl versucht zu motivieren. Und das ist auch keine Zukunftsmusik, das ist schon da. Vielleicht kann man es aber für gute Dinge tun.
Keine Wissenschaft hinter Bezahlschranken
Dass ist für mich persönlich zum Beispiel so ein Grund, warum ich auch die sozialen Medien nehme, weil ich der Meinung bin, dass Wissenschaft und Medizin Menschen erreichen soll.
Warum kann ich nicht gleich mitgestalten? Und warum muss ich immer nur warten, bis jemand auf mich zukommt? Oder warum soll ich nur kommunizieren mit der Welt über die Patienten und über die Angehörigen selbst? Und warum kann ich eine wissenschaftliche Publikation, die in elitären Zeitschriften stehen, die teilweise tausende von Euro im Abonnement kosten, warum kann ich nicht das Destillat so verändern, dass das Menschen auch verstehen und zwar kostenlos. Warum muss Wissenschaft so geschlossen sein?
[Minute: 37:38] – Nella
Die Gatekeeper des Wissens, das sind die Bezahlschranken. Und jetzt ist es alles viel offener. Die neue Entwicklung finde ich schon sehr gut.
Gute Chancen für die gute Nachricht
Und wenn man jetzt auch noch Corona ansieht, gibt es vielleicht mehr Chancen für die gute Nachricht, weil wir alle so abgefüllt sind mit negativen Nachrichten, dass wir danach dürsten endlich gute Nachrichten in uns aufzunehmen. Vielleicht hat die gute Nachricht jetzt mal eine Chance, groß rauszukommen.
[Minute: 38:05] – Prof. Sehouli
Ich glaube auch, dass es eine Chance ist, dass man wieder weggeht von Überschriften, von Headlines, sondern tatsächlich das auch zelebriert, wenn man länger als eineinhalb Minuten redet und wenn man auch zuhören kann, ohne dass man gleich gezwungen ist, das zu bewerten oder gleich einen Lösungsweg zu finden.
Nicht auf die Veränderung warten, sondern mitgestalten
Und dass man aber auch versucht, vielleicht selbst Verantwortung zu übernehmen, indem man eben auch Dinge im Kleinen verändern kann, warum muss ich immer erst warten, bis die nächste Entscheidung von irgendjemand auf übermorgen vertagt wird?
Warum kann ich nicht für mich entscheiden? Wie ich kommuniziere, mit wem ich kommuniziere und welche Rahmenbedingungen ich dafür schaffe.
[Minute:38:52] – Nella
Die gute Nachricht hat eine Chance, da bin ich mir auch ganz sicher. Sie muss einfach auch eine Chance haben, dass wir sie mehr sehen. Das ist ja auch immer dieses gern genommene Thema Achtsamkeit.
Das Licht gewinnt immer
Neulich sagte ein lieber Interviewgast:
„Wenn das Licht gegen die Dunkelheit kämpft, gewinnt immer das Licht.“ Ich finde, das ist ein ganz schöner und passender Schlusssatz. Wir müssen eigentlich nur das Licht ein bisschen hereinlassen.
Das tut uns allen ganz gut.
Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch, lieber Herr Prof. Sehouli.
Es war mir eine große Freude. Die Bälle flogen munter hin und her.
Prof. Sehouli
Mir auch. Ich danke Ihnen für die Einladung.
Nella
Und vielleicht begegnen wir uns alle mal mit mehr Offenheit und mehr Zuversicht und gehen auch mehr in die Begegnungen. Das finde ich auch sehr erstrebenswert.
Und hoffentlich bald mal wieder offline.