Inhaltsverzeichnis auf einen Blick
Grenzerfahrung Krebsdiagnose
Wie wichtig sind Grenzen (wahrnehmen – setzen – überschreiten – erweitern) für meinen Weg?
Anders gefragt: Wie wird man von der Zuschauer*in wieder zur Regisseur*in des eigenen Lebens?
Mit meiner Talk-Gästin Therese Gisbertz-Adam suchen wir Antworten.
Sie ist Heilpraktikerin und Sozialpädagogin aus Krefeld und hat mich und meinen Podcast aufgespürt und Kontakt zu mir aufgenommen. Eine sehr schöne Art der unkomplizierten Vernetzung, wie ich finde. In unserem Vorgespräch haben wir festgestellt, dass tatsächlich vieles bei uns zusammenpasst.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich das Bochumer Gesundheitstraining, kurz BGT, vorher überhaupt nicht kannte. Darüber wollen wir auch sprechen. Also erst einmal herzlich willkommen, liebe Therese.
Zum Podcast und zur Folge #17 geht es hier lang: #17 – „Grenzerfahrung Krebsdiagnose“ – Zellenkarussell
Anmerkung: Dies ist die „verschriftete“ Version unseres Gesprächs. Viel Spaß beim Lesen und/oder Hören.
[01:08] – Therese
Vielen Dank, liebe Nella für die Einladung und ich bin gespannt auf unser Gespräch und freue mich darauf.
[01:21] – Nella
Warum gehen wir eigentlich so oft über unsere Grenzen hinaus?
Das tue ich auch.
Wir haben uns schnell auf das Hauptthema Grenzerfahrung und Grenzen setzen und auch Grenzen überschreiten einigen können. Und daher möchte ich dich gleich zum Einstieg fragen:
Warum gehen wir eigentlich so oft über unsere Grenzen hinaus?
[01:40] – Therese
Wie du gerade schon gesagt hast, ist das Thema Grenzen zweischneidig. Also das heißt, einmal müssen wir wieder lernen oder es tut uns gut, wieder zu lernen, Grenzen zu setzen, da wo sie hingehören, da wo unsere Grenzen tatsächlich sind. Auf der anderen Seite ist es natürlich für unsere persönliche Entwicklung wichtig, über uns hinauszuwachsen und unsere eigenen Grenzen, die wir erst mal wahrnehmen müssen, auch zu überwinden, damit wir auch weiterkommen in unserem Leben.
Aber jetzt in Bezug auf unser Thema ist glaube ich, dieses Grenzen setzen noch mal ganz wichtig und ich denke, dass wir das durch unsere Erziehung einfach verlernt haben. Kleine Kinder wissen oft sehr genau, was gut für sie ist, aber die Erwachsenen wissen es immer besser. Natürlich muss man sie vor manchem Unheil bewahren, aber vieles können sie selbst viel besser einschätzen.
Die innere Stimme sagt uns viel
Wir lernen schon sehr früh, dass erst Mama, Papa, später die Lehrer und dann der Chef immer alles besser wissen als wir. Wir gehen zum Arzt und wollen, dass er uns gesund macht.
Und da dürfen wir auch wieder lernen, unseren inneren Arzt zu befragen und auf ihn zu hören.
Dabei ist auch die innere Stimme ganz wichtig, die wir ganz gut in die Schublade gepackt haben. Meistens hilft es, die wieder hervorzuholen und zu befragen. Das ist ein Lernprozess, in dem man sich einfinden kann und darf. Das ist sehr wertvoll und Kraft spendend, wenn man wieder gelernt hat, auf sich zu hören.
Wir brauchen heu3e für alles Experten. Und es ist ja auch gut, wir können nicht alles, aber wir können viel mehr als wir glauben.
[03:22] – Nella
Und du meinst jetzt, weil man das verlernt hat – sozusagen – geht man öfter über die Grenzen hinaus. Also dass man das gar nicht mehr wahrnimmt.
Immer lieb und nett sein, verschiebt Grenzen
[03:29] – Therese
Das ist mein Eindruck. Dazu gehört natürlich auch unser Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und lieb und nett zu sein. Denken wir. Das wird ja auch von klein auf belohnt. Wenn wir lieb und nett sind, dann werden wir gemocht, dann sind wir anerkannt. Wir lernen dann häufiger auch mal zu sagen: „Okay, ich mach das jetzt mal. Eigentlich will ich’s gar nicht, aber ich mach das jetzt mal, um des lieben Friedens willen oder weil ich sonst wieder Ärger bekomme.“
In meiner Praxis höre ich ganz oft von Menschen, dass sie in Schwierigkeiten sind, weil sie immer glauben, sie müssen etwas leisten oder etwas bringen, damit sie anerkannt werden. Und ja, da geht man auch einfach über seine eigenen Grenzen hinweg.
[04:22] – Nella
Was treibt Menschen an, über ihre Grenzen zu gehen?
Das sind dann immer die Erwartungen, die man meint, erfüllen zu müssen.
Ich kann mich auch erinnern, dass eine Freundin mir mal erzählt hat, dass ihre Eltern (als sie klein war) immer zu ihr gesagt hätten: Wenn du gehorsam bist, dann machen wir das und das. Also schon das Wort Gehorsam. Da habe ich schon innerlich gezuckt und war ganz froh, dass meine Eltern dieses Wort nie bemüht haben. Aber diese Erwartung ist tatsächlich, ein ganz großes Problem.
Es gibt aber auch Menschen, die sehr gerne über ihre Grenzen hinausgehen, um sich zu spüren. Da gibt es ja zum Beispiel Leistungssportler oder welche, die auf die Idee kommen, auf den Mount Everest zu besteigen. Oder aber auch Business Manager, die das ganz toll finden, die das sogar feiern, wenn sie ein Burnout haben. „Nur wer brennt, kann verbrennen.“ Das war ein Standardspruch bei uns in der Firma. Ja, was treibt die denn an, dass sie immer über ihre Grenzen hinausgehen wollen?
[05:21] – Therese
„Stress zu haben, wird von der Gesellschaft erwartet.“
Ja, wahrscheinlich ist die Antwort gar nicht so schlecht, dass man denkt, ich muss mich spüren. Und es ist ja auch ein bisschen modern.
Wer keinen Stress hat, der ist irgendwie nicht up to date, hat man das Gefühl.
Auf die Frage: Wie geht’s? Kommt oft: „Oh, ich habe Stress.“ Ja klar.
Oder: „Keinen Stress.“, das sagt man ja auch immer mal so lapidar.
Stress ist ein Wort, was in unsere moderne Gesellschaft gehört. Und vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass man dadurch zeigt, wie leistungsstark man ist, dass man sich selbst etwas beweisen muss.
Über die Grenzen hinaus zu wachsen, über sich selbst hinauszuwachsen ist ja eher was Positives. Aber wenn man sich ständig etwas beweisen muss, das ist dann übertrieben. Alles kommt immer auf das Maß an, denke ich. Je mehr ein Mensch in sich ruht und sich selbst einen Wert zuschreiben kann, umso weniger muss er sich etwas beweisen.
Aus sich heraus, aus dem Inneren, aus der inneren Kraft. Und hat das Gefühl, das er sich so wie er lebt treu ist, auch wenn es hier und da etwas verbesserungswürdig ist.
Ich lebe authentisch, ich bin bei mir. Und dann braucht man sich nichts zu beweisen.
[06:35] – Nella
Zur Ruhe kommen, kann Angst machen
Ja, ich denke zum Beispiel, dass diese Ruhe einem vielleicht auch Angst macht. Man ist es gar nicht gewohnt, zur Ruhe zu kommen.
Ich weiß, wovon ich rede. Das war und ist für mich eine sehr schwierige Übung und ich neige auch tatsächlich dazu, mich zu verlieren. Ich möchte jetzt nicht sagen, über meine Ressourcen hinaus zu gehen, aber ich verliere mich gerne in Projekten und dann merke ich irgendwann: „Oh mein Gott, was machst du eigentlich? Du bist ja schon wieder ewig zugange.“
Warum passiert das? Oder anders gefragt: Wie spüre ich denn, dass ich meine Grenze erreicht habe? Das ich zu mir sage: „So, jetzt mal Stopp!“
[07:10] – Therese
Das spürt man einfach am Körpergefühl und an der Zufriedenheit. Wenn du sagst, ich verliere mich in meinen Projekten, das kann gut oder schlecht sein, je nachdem, wie ich es will, wie das gespürt wird.
Bei mir ist es zum Beispiel so, wenn ich im Garten bin, dann verliere ich mich auch darin. Aber ich würde dann sagen, ich gehe darin auf. Das ist was anderes. Ich werde eins mit dem, was ich da tue. Und wenn die Arbeit beendet ist, dann habe ich entweder ein Gefühl: Ja, das hat mir jetzt so richtig gut getan. Ich fühle mich innerlich kraftvoll oder ich habe ein Gefühl: Boah, ich bin jetzt richtig platt. Ich muss mich jetzt hinlegen. Ich bin am Ende, ich bin ausgelaugt.
Und ich glaube, das ist etwas, was wir schon wahrnehmen können. Nur das ist natürlich nicht sofort sehr stark da.
Wenn wir dazu neigen, immer über unsere Grenzen zu gehen, sollten wir Achtsamkeit lernen, immer mehr aufzuhorchen.
Wie ist es jetzt?
Ist es jetzt etwas, was mich nährt? Oder ist es etwas, was mir Kräfte raubt?
Das spüren wir alle.
[08:27] – Nella
Es macht einen Unterschied, für wen ich etwas tue
Vielleicht ist es auch ein Unterschied für wen ich das mache. Mache ich das jetzt für mich oder ist das sozusagen jobimmanent, dass ich irgendwas zu Ende bringen muss. Ein Projekt oder so, ich getrieben werde. Und wenn ich das aus einer eigenen Veranlassung heraus mache, ist es vielleicht etwas anderes.
[08:22] – Therese
Chef*in des eigenen Lebens sein
Auf jeden Fall. Dann ist es aus einer Lust heraus und dann ist es auch befriedigend. Lust macht ja Hunger auf Spaß.
Ich habe Lust auf ….
Und wenn ich Lust auf ein Projekt habe, dann macht mich das auch satt und zufrieden. Und wenn ich aber das mache, weil ich Druck habe, dann wird es schwierig.
Natürlich kann man im Berufsleben nicht alles immer so easy und nur so machen, wie man möchte. Aber ich bin fest davon überzeugt, wenn ich mir selbst klar bin, über meine Fähigkeiten, aber auch über meine Grenzen, dann kann ich das auch nach außen signalisieren.
Es ist ein Prozess, aber ich habe es immer wieder so erlebt.
Ich bin die Chefin meines Lebens oder der Chef, je nachdem. Und ich muss die Grenzen setzen, der andere wird es nicht tun.
[09:42] – Nella
Persönlich gefragt: Was war deine Grenzerfahrung?
Es gibt ja auch einen sehr schönen Slogan aus der Werbung von einem Baumarkt: „Mach es zu deinem Projekt.“ Werbung ist manchmal auch gar nicht so doof.
Jetzt mal zu dir. Wann gab es denn bei dir eine Grenzerfahrung? Dass du dir gesagt hast: Hier ist jetzt „Ende Gelände“.
[10:01] – Therese
Das war die Erfahrung mit meinen Eltern, die pflegebedürftig wurden und ich mich sehr eingebracht habe. Das ist für mich auch immer die schwierigste Situation, wenn es sehr privat ist und wenn es um andere Menschen geht, die mir sehr nahe sind. Da fällt es mir und wahrscheinlich jedem anderen auch immer am schwersten, eine Grenze zu setzen und da wirklich zu sagen:
„Okay, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, da muss ich mich entscheiden.
Entweder geht es an meine Kraft und über meine Kraft hinaus.“
An meine Kraft, das darf es ja gehen, aber nicht drüber hinaus und zumindest nicht zu viel drüber hinaus. Und den Punkt ausfindig zu machen. Das war für mich ganz schwierig.
Der Körper zeigt uns unsere Grenzen
Und als der aber kam, mein Körper hat mir den gezeigt – wir haben ja einen Körper, der uns immer freundlich geneigt ist und uns alles zeigt, wenn wir es denn hören wollen – dann ging es auch besser.
Dann kommen auch Lösungen, dann bietet sich immer was an. Ich muss nur den Weg dafür freimachen.
[11:14] – Nella
Das habe ich auch festgestellt. Der Körper ist schlauer als wir. Bloß: Wir hören gar nicht hin. Oder wir verdrängen das immer. Auch das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Ich habe aber gelernt, dieses Warnsystem bei mir einzubauen. Also wenn Signale kommen, dass ich sage: „Ah okay, vielen Dank für den Hinweis, lieber Körper. Ich habe verstanden, ich mache jetzt mal eine Pause.“
Das würde ich mir auch für alle wünschen, dass sie mal wieder in die Beziehung zu Ihrem Körper treten.
Kontakt zu sich selbst herstellen
[11:44] – Therese
Genau, das ist ein ganz wichtiges Stichwort, den Kontakt zu sich selbst aufzubauen. Wir sind oft so nach außen orientiert.
Was sagen die anderen?
Was muss ich tun?
Wie soll ich mich verhalten?
Welche Regeln gibt es?
Was will die Gesellschaft von mir?
Was will man privat von mir?
Und da wieder einfach mal die Augen zu schließen und nach innen zu gucken und auch zu horchen und zu spüren, zu fühlen. Und da ist unser Körper wirklich sehr, sehr hilfreich. Das ist unser Freund und Partner. Der ist ja auch immer da.
[12:15] – Nella
Das kann auch in Beziehungen sehr gut helfen, habe ich gelernt. Das habe ich aus einem Interview mitgenommen, da sagte eine Gästin, sie hält an Beziehungen fest, wenn sie merkt, dass sie nach dem Aufeinandertreffen immer noch ein Lächeln auf den Lippen hat. Wenn das aber nicht so ist und das passiert öfter, dann lässt sie diese Menschen aus ihrem Lebensfluss aussteigen.
Das fand ich eine ganz gute Idee, da mal drauf zu achten Wie fühle ich mich denn nach der Begegnung mit dieser Person? Und dann meine Schlüsse daraus zu ziehen.
[12:56] – Therese
Genau, wieder den Körper und sich selbst befragen. Das ist auch das, was wir eben sagten mit der Arbeit. Woran merke ich, dass es mir zu viel wird? Ich habe eigene innere Signale. Und entweder fühle ich mich kraftvoll oder ausgelaugt und dann kann ich entscheiden.
[13:17] – Nella
Was bringt es mir, Grenzen zu erweitern?
Jetzt mal in die andere Richtung gegangen. Wir haben ja gesagt, es gibt zwei Seiten. Was bringt es mir denn, meine Grenzen zu erweitern? Was gewinne ich dadurch?
[13:25] – Therese
Wenn ich über mich hinauswachse, dann wird mein Erfahrungsraum, mein Bewusstseins Raum vergrößert. Ich lerne mich selbst immer besser kennen und bin manchmal wirklich erstaunt und freue mich.
Was steckt alles in mir? Das hätte ich mir vor zehn Jahren noch nicht zugetraut. Jetzt bin ich so weit und siehe da, es läuft gut.
Und auch wenn es nicht gut läuft, ist es eine wichtige Erfahrung. Dann kann ich aber immerhin sagen, das hätte ich mich damals noch nicht getraut. Jetzt aber schon und jede Erweiterung meines Bewusstseinsraumes, lässt mich wachsen. In meiner Persönlichkeit, in meinen Kompetenzen. Und ich habe das Gefühl, ich kenne mich immer besser aus.
Wenn ich beispielsweise nur in meinem Haus bleibe, dann lerne ich ja nie meine Umgebung kennen. Dann gehe ich mal gucken. Was gibt es denn für Nachbarn? Dann kenne ich die schon.
Von Mal zu Mal mache ich meinen Raum immer größer. Ich kenne mich immer besser aus. In der ganzen Stadt kenne ich mich aus und ich fühl mich dann einfach auch immer sicherer.
Bist du mutig oder sicherheitsbezogen?
Und so ist es auch mit mir persönlich, wenn ich meine Grenzen überschreite.
Will sie jetzt nicht sprengen, aber überschreiten und mich auch mal auf neues Terrain begeben. Das ist ja immer ein bisschen angstbesetzt. Man weiß nicht was kommt auf mich zu. Und es gibt Menschen, die sind sehr sicherheitsbezogen und es gibt Menschen, die trauen sich ein bisschen mehr.
Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, wie sie aufgewachsen sind, welche Erfahrungen sie im Leben bisher gemacht haben. Aber es kommt immer etwas dazu.
[15:09] – Nella
Vielleicht nicht Grenzen sprengen, aber doch Ketten. Also dass man Sachen, die einen irgendwie binden, auch festhalten, dass man die einfach mal loslässt. Und dazu gehört ja auch viel Mut, diese Komfortzone – um das Wort Grenze nicht noch mal zu verwenden – zu verlassen. Da ist auch immer wieder oder immer mehr die Rede davon, das mal zu wagen und ich finde, man gewinnt wirklich dadurch, dass ist immer irgendwas, was man daraus mitnimmt.
Lerne dich besser kennen
[15:40] – Therese
Das schöne ist bei dem Bochumer Gesundheitstraining, auf das wir ja gleich auch noch kommen, da ist es ja so, dass ich die Angst verliere vor mir selbst. Auch weil ich immer mehr auf mich zugehe und da immer mehr zulasse, mich immer besser kennenlerne. Und dadurch habe ich natürlich auch einen sehr persönlichen Gewinn.
[16:01] – Nella
Das kann ich auch nur unterschreiben.
Du hast vorhin auch schon mal was gesagt zur inneren Haltung. Wie wichtig die ist. Die zum Beispiel finde ich essenziell bei unfreiwilligen Grenzerfahrungen, wie zum Beispiel eine Krebserkrankung.
Da finde ich, ist die innere Haltung etwas, aus der man schöpfen kann. Das ist wie eine Quelle, die man aber auch anzapfen lernen muss, auf die man sich verlassen kann. Wie würdest du das sehen bei unfreiwilligen Grenzerfahrungen?
„Wir werden manchmal vom Leben geschubst“
[16:36] – Therese
Das sehe ich ähnlich. Das ist ja sozusagen ein Wink des Schicksals, könnte man sagen, der uns dahin führt, wo wir weiterkommen können. Das ist ja dann oft so etwas, was wir so noch nicht für uns erkannt haben. Wir werden geschubst vom Leben, könnte man sagen. Das Leben schubst uns irgendwohin. Und das ist manchmal gar nicht so sanft, wie wir es gerne hätten, sondern auch schon mal so ein bisschen schroff.
Und dann kommt es eben darauf an, dass wir unsere eigenen Ressourcen sammeln und lernen, praktisch mit dem, was uns das Leben bietet umzugehen.
In dem Fall würden wir jetzt vielleicht auch gar nicht sagen schenkt, wenn es eine Krankheit zum Beispiel ist, da denkt man ja nicht gleich an ein Geschenk, aber wir nehmen es an. Das Wichtigste ist, glaube ich immer zu sagen, das, was jetzt ist, das ist jetzt so und sich nicht zu verschließen. Und sagen, das will ich nicht.
Das brauche ich nicht. Das sagen wir ja gerne mal: Das brauche ich jetzt nicht.
Doch, das brauchen wir wohl. Und zwar merkt man es daran, dass wir es haben. Ganz einfach. Das Leben gibt uns etwas und wir haben es einfach. Wir müssen uns damit auseinandersetzen.
Verdrängung hilft – aber nicht für alle Zeit
Wir können es auch verdrängen. Das ist für bestimmte Zeiten auch gut. Verdrängung ist etwas ganz Wichtiges. Es tritt nämlich immer dann ein, wenn wir was nicht verkraften. Und dann haben wir einen Mechanismus, einen Schutzmechanismus, der sagt: Okay, erst mal wieder weglegen. Aber es kommt ja immer wieder. Alles was verdrängt wurde, zeigt sich immer wieder.
Da finde ich auch, ist das Leben wieder freundlich, bietet uns immer wieder neue Möglichkeiten an, es wieder mal anzugucken und vielleicht schaffe ich es ja beim nächsten Mal und wenn nicht, verdränge ich es noch mal.
Aber irgendwann, wenn ich es immer nur verdränge, dann bildet sich das auch körperlich aus und dann können auch Krankheiten entstehen. Spätestens dann kann ich sagen: Okay, jetzt, ich muss mich entscheiden.
Sich entscheiden und die Konsequenzen tragen
Vieles im Leben hängt mit Entscheidungen zusammen. Ich habe immer Möglichkeiten, mich zu entscheiden. Ich muss nur die Konsequenzen tragen.
Ich kann mich für den Mut entscheiden, für den mutigen Schritt. Oder ich kann mich für die Komfortzone entscheiden. Das ist beides nicht richtig oder falsch.
Die Frage ist nur: Warum? Wo möchte ich hin? Was habe ich davon? Möchte ich mich weiterentwickeln? Möchte ich wieder gesund werden? Möchte ich ein Leben mit Kraft und Freude haben? Oder möchte ich mich irgendwie unter meiner Decke verkrümeln und das Leben geht an mir vorbei.
[19:11] – Nella
Da gibt es ja zum Beispiel Viktor Frankl, den sehr berühmten Psychologen, der diese Sichtweise geprägt hat und gesagt hat:
Du kannst dich immer entscheiden, ob du Täter oder Opfer bist.
Die Sachen, die von draußen kommen, die können wir nicht beeinflussen. Aber wir können entscheiden oder beeinflussen, wie wir darauf reagieren.
Und das fand ich ein sehr, sehr schönes Bild.
Placebo und die innere Haltung
Was ich hier noch auf meinen Kärtchen habe, ist eins meiner Lieblingsthemen, und zwar das Thema Placebo und Placebo-Effekte, Non-Placebo Effekte, innere Haltung. Ich finde, das ist ein sehr schönes Dreieck. Ich selbst habe das schon bei mir erlebt, was Placebo-Effekt positiv ausrichten können. Glaubst du daran? Dass man dadurch jetzt mal nicht unbedingt gesunden, aber zumindest die Lebensqualität beeinflussen kann.
[19:58] – Therese
Auf jeden Fall. Der Placebo-Effekt ist ein ganz wichtiger. Und das ist auch was ganz Tolles, finde ich.
Da geht es ja darum, dass etwas tatsächlich passiert, sogar materiell im Körper passieren kann, wenn es um Heilung geht.
Was wir eigentlich erwarten, ist folgendes: Wir haben gelernt, Medikamente können uns gesund machen. Jetzt kriege ich ein Placebo und denke, es ist ein Medikament und ich werde trotzdem gesund. Das bedeutet ja, dass ich durch meine Gedanken ganz viel steuern kann und damit habe ich ja ein wahnsinniges Tool an der Hand.
Gedankenkraft und Glaubenssätze
Nicht, dass ich mich belüge und sage, da ist ja gar nichts drin. Und: Das habe ich mir nur eingebildet. Das wäre jetzt negativ ausgedrückt. Aber wenn man Einbildung einfach durch Gedankenkraft ersetzt, dann kann man daraus schließen, dass man mittels seiner eigenen Gedanken ganz viel in seinem Leben erreichen kann. Und deswegen sind ja auch die Glaubenssätze so mächtig, die wir haben, sowohl in positiver Richtung als aber auch in negativer.
Wenn ich zum Beispiel eine Chemotherapie bekomme und denke: Mein Gott, jetzt wird mein ganzer Körper vergiftet, dann wird sie mir weniger helfen, als wenn ich die Chemotherapie bekomme und denke, das ist jetzt genau das, was meine Krebszellen vernichtet und mein Körper dann wieder erstarken lässt. Deswegen ist es ein ganz, ganz wichtiger Effekt.
[21:28] – Nella
Ich habe die Chemo immer mein Schmelzsystem genannt. Die Chemo bringt alles zum Schmelzen, gerade auch die bösen Zellen. Das war für mich immer ein sehr hilfreiches Bild und dazu fällt mir auch eine Sache ein, die habe ich mal gelesen. Wenn zum Beispiel die Schwester einfach nur Medikamente auf den Nachttisch legt, dass diese dann eine nicht so gute Wirkung entfalten wie die Medikamente, die dir von der Chefärztin freundlich in die Hand gedrückt werden. Mit einem intensiven Blick in die Augen meinetwegen. Die haben mehr Effekt auf das, was in deinem Körper passiert als die anderen, die da nur auf dem Nachttisch liegen. Das fand ich sehr, sehr faszinierend.
[22:12] – Therese
Das ist hochinteressant, aber das zeigt ja auch wieder mein Denken. Das heißt, dass ich der Chefärztin deutlich mehr Kompetenz zutraue als der Krankenschwester, die ja nur die Ausführende ist. Und ich kann mich aber auch selbst zum Chefarzt machen oder zur Chefärztin meines eigenen Lebens. Also ich kann ja auch lernen, auf mich zu hören.
Man kann sich damit beschäftigen und dahin kommen, dass ich wieder zur Regisseurin des eigenen Lebens werde, dann habe ich dadurch unglaubliche Ressourcen frei gelassen, die mir tatsächlich helfen, gesund zu bleiben, bestenfalls oder auch gesund zu werden.
[23:00] – Nella
Wie läuft das Bochumer Gesundheitstraining (BGT) ab?
Dieses gestalterische Moment, das habe ich ja auch übernommen von deiner Website: Vom Zuschauer zum Regisseur zu werden, das fand ich ein sehr, sehr schönes Bild. Und da setzt ja auch dieses Bochumer Gesundheitstraining an. Kannst du das mal erklären, wie das genau läuft? Was sind die Inhalte?
[23:25] – Therese
Es ist ein bisschen sperriger Name. Es ist an der Universität Bochum entwickelt worden. Daher der Name Bochumer Gesundheitstraining und angelehnt an die Simonton-Methode, die es in den USA schon in den 70er Jahren gab, bei der ein Onkologe mit seiner Frau, die Psychotherapeutin war, zusätzlich zur medizinischen Behandlung Möglichkeiten gesucht haben, den Menschen zu stärken, das Immunsystem zu stärken und ihn wieder in die Kraft zu bringen und ihn dadurch zu verhelfen, den Krebs zu besiegen. Zusätzlich zur medizinischen Behandlung. Und das ist beim Bochumer Gesundheitstraining aufgegriffen worden.
Schwerpunkt: Was macht mich gesund
Da geht es in erster Linie gar nicht um den Krebs, sondern es geht darum, was macht mich denn gesund?
Es geht nicht um die Bekämpfung des Krebses an sich, sondern den Blick darauf zu richten, was brauche ich denn für mein Leben, damit es gesund ist, damit ich Power habe? Und als Unterstützung dabei ist das (BGT) total wertvoll.
Man hat auch Patienten befragt, die wieder genesen sind.
Was sind die Faktoren gewesen, die euch unterstützt haben in der Genesung? Und hat daraus verschiedene Punkte gesammelt.
Einige Aspekte des Bochumer Gesundheitstrainings
Ein ganz wichtiger Punkt ist: Wo ist mein Ort der Ruhe und der Kraft? Das ist das erste. Weil wenn man Konflikte angeht, braucht man auch immer einen Ankerpunkt, an dem man sich festhalten kann, wenn es mal brenzlig wird. Deswegen brauchen wir alle einen Ort der Ruhe und der Kraft.
Für mich ist das allerwichtigste Thema die innere Stimme, aber auch das Thema, was wir heute besprechen: Grenzen, die Abwehrkraft, sozial und körperlich.
Was kränkt mich, was gibt mir Lebensfreude? Was möchte ich noch erleben im Leben? Das ist nur ein Ausschnitt der Themen, die es im Bochumer Gesundheitstraining gibt.
Jedes Thema, wird als eigene Einheit gesehen und auf verschiedenen Arten und Weisen betrachtet.
Es beginnt immer mit einem Fragebogen, das finde ich ganz wichtig, den jeder für sich beantwortet, um sich mal zu sammeln und auf ein Thema einzustimmen. Beispielsweise eben das Thema Grenzen.
Wo liegen meine Grenzen? Wo überschreite ich meine Grenzen? Wie fühle ich mich damit? Da hat jeder erst mal die Möglichkeit, sich mit dem Thema das gerade dran ist zu beschäftigen.
Dann gibt es immer eine Fantasie Reise, dazu eine Meditation, in der positive Affirmationen genannt werden und in der man Gelegenheit hat, sich die eigenen Bilder vorzustellen, die zu dem jeweiligen Thema hochkommen.
Vorher gibt es natürlich immer eine Entspannungsphase, damit man sich auch öffnet, weil wir in der Entspannung offen sind. Die Bilder und die Empfindungen können einfach kommen.
Eine Technik um sich nahe zu kommen, ist das Malen
Ein Bereich ist das Malen. Das ist für viele erst mal ein Schreck: „Oh nein, ich kann gar nicht malen.“ Aber es kommt gar nicht darauf an, Kunstwerke zu gestalten, sondern es kommt darauf an, mit Farben etwas auf Papier zu bringen.
Das heißt, ich kann plötzlich etwas sehen, was vorher in mir war. Es kommt einfach raus und es ist nicht an meinen Intellekt gebunden. Das spricht (ausschließlich) unser Gefühl an.
Wenn wir dann betrachten, was wir gemalt haben, kommen wir manchmal noch auf ganz andere Dinge. Und das ist oft sehr erhellend. Das ist immer eine gute Möglichkeit, mit Konflikten umzugehen. Man kann es dann betrachten und dann kann ich es auch „handeln“. Es geht überhaupt nicht darum, dass irgendjemand anders mein Bild auswertet oder sonst was. Es gibt keine Noten (schmunzelt).
Außerdem gibt es zu den Themen auch immer bestimmte Körperübungen.
Wir tauschen uns dann in kleinen Gruppen aus. Das Bochumer Gesundheitstraining gibt es auch in Einzelberatung. Da kann man dann natürlich ganz individuell auf die einzelnen Themen eingehen.
Wo bekommen ich das Bochumer Gesundheitstraining (BGT)?
[27:52] – Nella
Kriege ich das denn jetzt nur in Bochum?
[27:53] – Therese
Nein, das kriegt man zum Beispiel auch in Krefeld. Und es wird in vielen Kliniken angeboten.
[28:02] – Nella
Kann ich danach fragen, wenn ich das BGT zum Beispiel als Bedingung bei der Wahl für meine Rehaeinrichtung nehme?
[28:11] – Therese
Kann man ja.
Und es gibt auch die Seite des Bochumer Gesundheitstraining. Da kann man sich auch erkundigen. www.Bochumergesundheitsraining.de. Das ist eine Seite von Erhard Beitel. Er ist der Psychologe, der mit einem Mediziner zusammen das Bochumer Gesundheitstraining entwickelt hat.
Ähnliche Konzepte:
Bochumer Gesundheitstraining (BGT) und Mind-Body-Medizin (MBM)
und doch ganz anders
[28:34] – Nella
Nicht erschrecken, aber die Seite ist ein bisschen „old school“. Da sind die Inhalte aber sehr gut dargelegt.
Was ich aber auch kenne, ist die Mind-Body-Medizin. Das ist scheinbar sehr ähnlich. Das wird hier am Wannsee im Immanuel Krankenhaus in Berlin angeboten von Professor Michalsen.
Da habe ich mich auch mal beworben, ist dann aber an Corona gescheitert. Ich wollte das eigentlich mal machen. Ich weiß nicht, ob ich jetzt noch Lust dazu habe. Aber das ist so ein ähnlicher Ansatz. Stimmt das?
[29:16] – Therese
Ja, das ist sehr ähnlich. Ich kenne die Mind-Body-Medizin nicht von innen, sondern nur aus der Literatur. Es wird auch hier bei uns in der Nähe in Essen angeboten, in den Kliniken. Da geht es sehr viel um Entspannung, um Meditation.
Krankheit besser verarbeiten (MBM)
Was ich lese, ist immer, dass man dadurch die Krankheit besser verarbeiten kann. Das ist auch ein Aspekt. Aber mir ist immer ganz wichtig nicht nur auf das Verarbeiten der Erkrankung zu schauen, sondern wirklich die Umkehrung zu schaffen: Wo will ich denn hin?
Wie kann ich ein kraftvolles Leben führen? (BGT)
Ich will nicht nur dauernd die Krankheit angucken und verarbeiten, sondern ich will ein kraftvolles Leben führen. Das ist mir ganz wichtig. Und da sehe ich beim Bochumer Gesundheitstraining (BGT) ganz große Chancen. Ich will, dass dem Mind-Body-Konzept nicht absprechen, dafür kenne ich zu wenig.
[30:12] – Nella
Das ist ganz lustig, dass du das sagst. Das stimmt, da steht die Selbstfürsorge – genau wie bei BGT – sehr stark im Mittelpunkt.
Stehst du am Anfang oder bist du schon weiter?
Aber ich glaube, genau das ist der Punkt, warum ich jetzt nicht mehr besondere Ambitionen habe, an diesem Programm teilzunehmen. Weil ich eben auch schon weiter bin. Und ich möchte nicht mehr da zurück. Da ist der Zeitpunkt vorbei. Aber für Menschen, die quasi, ich sage jetzt mal nach der Reha noch so ein Projekt oder ein Programm suchen, finde ich das gut.
Man muss halt auch wissen, das ist ja auch eines meiner Lieblingsthemen, wann ist das Thema vielleicht auch mal für mich zu gucken, wie weit bin ich denn schon?
Bin ich denn nicht vielleicht schon ein Stückchen weiter und kann mich wieder mal mehr dem Leben zuwenden als dem Krebs, der zwar auch immer noch da ist, aber da kann ich ja doch mal so einen kleinen „Twist“ für mich hinkriegen.
[31:12] – Therese
Genau. Und ich glaube, dass es sich auch in dem Prozess der Genesung überschneidet. Besonders wenn ich noch in der Behandlung bin, also zum Beispiel noch Therapien bekomme, dann ist der Krebs auf jeden Fall noch sehr präsent. Und ich will ihn ja auch nicht verdrängen. Aber auch da kann ich ja schon schauen: Was brauche ich im Moment?
Selbstfürsorge betreiben
Da haben wir eben über den Placebo-Effekt gesprochen.
Da kann ich mir das zunutze machen, dass ich sage: Ich brauche jetzt, im Moment noch dieses Medikament und habe mich dazu entschlossen. Ich traue dem und es wirkt jetzt einfach. Und dann gehe ich nach Hause und kann mich dort dem „gesunden“ Teil des Lebens zuwenden und gucken: Was brauche ich denn hier? Vielleicht von meinem Partner. Oder welche Tätigkeiten machen mir denn Freude?
Und nicht sagen: „Oh, ich bin ja krebskrank, ich kann nicht.“ Sondern zu sagen: „Ich habe doch früher immer so gerne getanzt, gekocht, gesungen.“ (Im Grunde ist es Selbstfürsorge.)
Sich wieder zu erinnern und sagen, das mache ich jetzt mal und kümmere mich jetzt einfach mal ausschließlich darum, was ich im Inneren von Herzen gerne tun möchte.
[32:33] – Nella
Ich bin jetzt mal ein bisschen provokativ und formuliere folgendes Statement: „Raus aus der Komfortzone Krebspatient.“ Ich weiß, dass manche jetzt aufstöhnen: „Oh Gott!“
Aber auch da kann ich aus eigenem Erleben berichten. Auch ich habe mich da zu lange eingerichtet. Es ist jetzt nicht dramatisch gewesen, aber ich hätte schon schneller wieder zurückkommen können. Ich habe mich das aber nicht getraut, weil ich unsicher war. Ich möchte jeden aufmuntern und Mut zusprechen, den Weg wieder zu wagen, wieder rauszugehen, zu tanzen oder zu singen, was hoffentlich bald auch mal wieder möglich ist.
Sag mal, kann ich mir das (BGT) von meinem Arzt verordnen lassen?
Bekomme ich BGT über eine Verordnung?
[33:15] – Therese
Das geht leider nicht. Das geht vielleicht, wenn man einen Psychologen findet oder eine Praxis, die eine Kassenzulassung hat. In der Regel wird es in der Reha angeboten oder ich muss es tatsächlich privat bezahlen.
Was anderes ist noch, wenn es über Selbsthilfegruppen geht. Da hatte ich mal ein Projekt, da gibt es Gelder, die zur Verfügung gestellt werden für bestimmte Projekte und da lässt sich eine Menge machen. Da kann man für eine Gruppe Gelder beantragen. Das geht. Aber wenn ich das als Privatperson anwenden möchte, muss ich das leider selbst tragen.
[34:02] – Nella
Die Mind-Body-Medizin, das weiß ich, die kann man sich verordnen lassen. Da kommt man „leichter“ ran. Trotzdem fand ich es in sich sehr, sehr kompliziert. Es war aber bei mir auch der Corona-Zeit geschuldet und dazu noch durch den Lockdown geprägt. Aber da würde ich auf jeden Fall mal nachfragen.
Ich habe seinerzeit von der Mind-Body-Medizin über ein Reformblättchen erfahren. Das hat mir damals übrigens kein Arzt gesagt, kein Psychoonkologe. Das war ein Zufall. Und als ich meinen Arzt dann fragte: „Wie stehen sie denn zu dem Konzept?“ Kam: „Ja, ich habe gehört, das hilft.“ Auf meine Nachfrage: „Warum sagen Sie mir das denn nicht?“ folgte ein Schulterzucken. Irgendwie hat er das nicht so ganz ernst genommen. Es kommt auch immer (wieder) drauf an, welchen Arzt man an seiner Seite hat.
Die Sache mit dem Kämpfen
[34:54] – Nella
Wir haben ja vorhin mal kurz das Thema Kampf angeschnitten.
Das ich gegen den Krebs ankämpfe. Das beobachte ich schon von Anfang an (der Kampf spielt eine große Rolle). Auch das viele – nett gemeint – sagen: kämpfe dagegen an, da musst du kämpfen, oder sich als Betroffene selbst als Kämpfer*in bezeichnen, oder auch so Sachen sagen wie: „fuck cancer“.
Du bist (als Krebspatient*in) ständig in diesem Kampfmodus und das fand ich, je mehr ich mir das angeguckt habe, anstrengend.
Wie siehst du das? Was macht dieses Verb mit uns, immer kämpfen zu müssen?
[35:27] – Therese
Wer in den Kampf geht, der hat ja immer auch einen Gegner. Und in dem Fall wäre das ja wahrscheinlich dann der Krebs. Da geht es um Siegen oder Verlieren. Wenn ich das so sage, dann merke ich schon, dass ich da so innerlich so was zusammenzieht, weil ich merke, ich will das gar nicht. Auch ich in meinem Leben ich möchte nicht kämpfen. Ich möchte nicht kämpfen. Ich möchte mich natürlich einsetzen für Dinge, aber das ist wieder dieser andere Blick. Gucke ich auf die Krankheit oder gucke ich auf das, was mir guttut?
Dagegen sein raubt Energie, dafür sein erzeugt sie
In dem Fall guck ich auf das, was mir entgegensteht, was mir mein Leben schwer macht. Oder schaue ich dahin, wo ich hinmöchte? Setze ich mich für etwas ein. Das hat eine ganz andere Energie.
Wenn wir in Aktion kommen, sind wir entweder getrieben von Lust oder von Schmerz. Das heißt, ich mach was aus vollem Herzen und dann freue ich mich da dran. Dann bin ich hinterher auch kraftvoll.
Oder ich mache was, weil der Leidensdruck zu groß geworden ist. Das ist die weniger komfortable Variante. Und das Kämpfen ist für mich so eine weniger komfortable Variante. Kämpfen raubt ganz viel Kraft.
In der asiatischen Kampfkunst, die nennen es zwar auch so, haben die aber einen ganz anderen Hintergrund. Man hat da auch einen Gegner, aber man nimmt die Kraft, die er aufwendet, um mich zu bekämpfen, auf. Beim Tai Chi ist es ja beispielsweise so. Und dann verwendet man die Kraft dann für das Eigene. Man wandelt praktisch den Widerstand in eine Kraft um.
Dem Krebs zu viel Macht geben
[37:07] – Nella
Im asiatischen Raum ist der Kampfsport auch eine Kunstform, das wird ja anders wahrgenommen. Und ich finde immer, durch diese Begrifflichkeiten des Kampfes gebe ich dem Krebs viel zu viel Macht über mich, weil ich ihn damit so in den Mittelpunkt stelle. Also das ist jetzt meine persönliche Sicht auf die Dinge. Ich möchte das nicht, ich möchte nicht ständig im Kampf sein.
Es ist ja auch immer lieb gesagt von vielen: „Mensch, du bist ja eine Kämpferin.“ Ich weiß noch, als ich mein Abiturzeugnis in der Hand hatte, gab es einen tollen Papa von einer Freundin, der sagte „Na, Kämpferin, hasse das Papier!“ Das fand ich ganz lustig. Aber so in diesem (Krebs)Rahmen: PUH!
Es ist halt wirklich manchmal heftig.
Thereses Kraft-Rezept
[37:49] – Nella
Deine Seite heißt ja Praxis Lebenskraft. Was ist denn dein Rezept, in die Kraft zu kommen?
[37:54] – Therese
Das fand ich ganz nett in der Vorbesprechung, da hast du es ja schon kurz angedeutet und das hat mich auf die Idee gebracht, tatsächlich nach einem Rezept zu suchen. Das erinnert ja an ein Kochrezept: „Man nehme …“
1. Was lässt mich nach einem Kochrezept zu suchen?
Da ist ja zunächst mal mein Hunger, durch den bin ich motiviert zu suchen. Entweder habe ich Lust auf was oder mir knurrt schon der Magen und ich brauch jetzt unbedingt was. Das ist mehr so, der Leidensdruck, der ist dann zu hoch. Und das ist genau das, was wir dann bei einer Erkrankung brauchen oder überhaupt in unserem Leben bei jedem Problem. Ich möchte es jetzt mal so ein bisschen von einer Erkrankung wegnehmen, weil es so ein allgemeines Prinzip ist (das mit dem Leidensdruck).
2. Was will ich essen?
Dann muss ich natürlich auch eine Idee haben von dem was will ich denn essen, was brauche ich im Moment? Brauche ich jetzt was Süßes oder möchte ich eher so eine deftige Suppe haben? Da muss ich mich entscheiden.
Das ist auch für mich das, wo es im (Lebenskraft)Rezept weitergeht. Was tut mir jetzt im Moment gut?
Und da fällt mir zum Beispiel ein: vielleicht brauche ich mal ein bisschen mehr Freude in meinem Leben. Vielleicht brauche ich etwas, was mir Sinn gibt, was man selbst wertschätzt. Mehr Selbstmitgefühl, Selbstliebe. Das sind alles mögliche Gerichte.
3. Zutaten
Dann brauche ich natürlich die Zutaten. Da ist eine ganz wichtige Zutat für mich wirklich die innere Stimme, die zu hören, Kontakt zu haben zu mir selber, mich ernst zu nehmen und mich wirklich für wichtig zu halten. Und auch meine Ressourcen mal wieder anzuschauen, das ist dann das, was in meinem Vorratsschrank steht, was vielleicht schon so ein bisschen hinten ins Regal gerückt ist.
4. Zubereitung
So, und dann muss es natürlich auch noch zubereitet werden. Da kommt das mit der Komfortzone ins Spiel. Ich muss mir ein Topf nehmen, dass alles zusammen rühren und zubereiten und dann auch mit Freude am besten zubereiten und auch vielleicht nicht so streng immer nach den Ratgebern gucken oder nach dem Rezept im Kochbuch, sondern auch mal denken Oh, vielleicht fehlt noch ein bisschen von diesem Gewürz oder ich habe da doch mal letztens was Neues gefunden. Vielleicht probiere ich das mal aus, dass man so ein bisschen experimentiert und mutiger wird und sich dann auch freut, wenn was Gutes dabei rauskommt. Wenn es dann nicht so gut ist, okay, dann mach es beim nächsten Mal anders. Es ist ja nicht umsonst.
5. Habe ich die Energie das Gericht zuzubereiten?
Ganz, ganz wichtig. Ich brauch natürlich einen Herd, wo ich das drauf kochen kann. Ich brauch also die Energie und da schließt sich wieder der Kreis vom Anfang. Habe ich die Kraft dazu? Will ich das jetzt wirklich oder lasse ich das? Und wenn ich das wirklich will, dann entscheide ich mich und dann habe ich Kraft. Jede Entscheidung bringt Kraft.
Hinterher kann ich vielleicht sagen: Aus meiner jetzigen Sicht hätte ich mich vielleicht besser anders entschieden. Aber im Moment der Entscheidung ist es die richtige. Und das sollten wir uns mal klar machen. Ich entscheide mich jetzt richtig und jede Entscheidung bringt mich nach vorn.
6. Genießen und dankbar sein
Wenn dann alles fertig ist, darf ich es aber auch so richtig genießen und dann wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Also das heißt fürs Leben ganz bewusst auch das, was ich erreicht habe und das, was mir gelungen ist, wirklich bewusst machen, reflektieren. Alles, was uns gut gelingt, das stecken wir mal eben so rechts und links beiseite. Also Dankbarkeit ist da ein ganz großes Stichwort.
Ich darf dem Leben danken. Ich darf aber auch mir selber danken. Und das gibt mir wieder Mut und Kraft. Auch auf was Neues.
[41:27] – Nella
Das hört sich echt toll an! Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Stichwort Rezept bei mir ein solches Feuerwerk an Ideen, Ingredienzien und Utensilien auslöst. Das finde ich sehr schön. Also wer will und das gerne mal erleben möchte oder in Kontakt mit der Köchin treten möchte? Bei der Suche nach Rezept Vorschlägen gerne an Therese wenden.
Und ich finde auch sehr schön, dass man vielleicht sein eigenes Umami findet, den besonderen Kick für einen persönlich. Denn das ist ja auch bei jedem was anderes. Die Grundsubstanz mögen die gleichen sein, aber dieser Umami Aspekt, den wünsche ich allen, die uns da draußen jetzt zugehört haben.
Also herzlichen Dank, liebe Therese und wie gesagt, an euch da draußen auch herzlichen Dank! Und ihr findet Therese bei Praxis, Lebenskraft und mich im Zellenkarussell und wünsch euch eine schöne Zeit und bis bald tschüss!
Herzlichen Dank und alles Liebe.
Shownotes:
Für dich entdeckt:
Dr. Klaus Blaser und seine Werke: LITERATUR – Horizologie und vor allem sein Buch: Klett-Cotta :: Sag Ja zum Nein sagen – Klaus Blaser
Die Seite von Therese Gisbertz-Adam findest du hier.
Wenn du die Fragebögen zu „Grenzen setzen“ und „Grenzen überwinden“ erhalten möchtest, kannst du mir eine kurze Nachricht mit dem Betreff:
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Hier der Link zu ihrem Kontaktformular: https://www.praxis-lebenskraft.com/#kontakt
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Mind-Body-Medizin – DocCheck Flexikon
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Literaturempfehlungen von Therese Gisbertz-Adam:
Stefanie Menzel, Die Kraft des Herzens – Ein heilenergetischer Weg zur Erweckung der Lebens- und Liebeskraft
Natalie Knapp, Der unendliche Augenblick – Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind
Irmhild Harbach-Dietz, „Ich bin sehr dankbar für mein Leben“ – Frauen berichten über Alternativen im Umgang mit Krebs
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Dr. Kelly A. Turner, 9 Wege in ein krebsfreies Leben – Wahre Geschichten von geheilten Menschen