Inhaltsverzeichnis auf einen Blick
Was der Krebs mit unserer Seele macht
Wie werde ich sie wieder los, die Ängste, die nach der Krebsdiagnose hochkommen?
Wie bekomme ich meine Lebensfreude und Lebensqualität zurück?
Was kann ich selbst tun?
„Du musst aber keine Angst haben!“ So beruhigt man Kinder, wenn sie Getränke aus dem Keller holen müssen, wenn sie mal alleine zu Hause bleiben müssen oder wenn sich ein großer Hund bedrohlich vor ihnen aufbaut. Noch aus eigener Erinnerung wissen wir: Angst kann man schwer vertreiben, weder mit rationalen noch mit noch so gut gemeinten emotionalen Ratschlägen.
Krebspatienten wissen das, denn mit dem Moment der Krebsdiagnose sind sie da: die Ängste. Sie kommen wie aus dem Nichts angeflogen, ohne Vorwarnung und nehmen uns die Luft zum Atmen. Sie krabbeln den Rücken hoch, kriechen in unseren Kopf hinein und machen es sich dort bequem. Sind sie erst einmal da, wird man sie nicht mehr los. Ängste haben die unangenehme Eigenschaft, sich auch noch in der „hintersten Ecke“ einzunisten.
Sie kommen manchmal zeitverzögert
Ängste blockieren alles, verstellen und vernebeln den Blick auf wichtige Entscheidungen und nagen an deiner positiven Grundstimmung, deiner Motivation, deiner Lebensfreude. Angstbelastet zu sein, vermindert die Lebensqualität.
Wichtige Anmerkung: Das gilt selbstverständlich auch für eure Angehörigen, eure Lieblingsmenschen, die euch auf eurem Weg begleiten. Auch die sind von Ängsten geschüttelt und sollten diesen Text hier lesen.
Manchmal – besonders gemein – lassen sich die Ängste aber auch ein wenig Zeit und kommen dann hoch, wenn du denkst, du hast es geschafft, du hast die Therapie gut und vielleicht sogar (was ich dir von Herzen wünsche) erfolgreich hinter dich gebracht, alles scheint in Ordnung oder besser auf einem guten Weg zu sein. Und zack, da sind sie, die „dunklen Gedanken“. Als hätte jemand einen Kübel davon in deinen Kopf geschüttet. Du wirst von ihnen geradezu überrollt und hast Schlafprobleme, bist unruhig, niedergeschlagen und depressiv.
Kann man etwas gegen seine Ängste tun?
Bevor wir darauf kommen und ich dir zeige, was du tun kannst, möchte ich der Angst einmal auf den Grund gehen. Warum gibt es eigentlich Angst und Ängste?
Wenn es dir nicht gut geht und du unter Ängsten leidest, wird es dich nicht trösten, dass Angst eine ganz wichtige Funktion in unserem Leben hat. „Gesunde Angst“ soll die Sinne dafür schärfen, sich nicht unvorsichtig oder übermütig einer gefährlichen Situation auszusetzen. Kein Mensch käme auf die Idee, sich in einen Tigerkäfig zu begeben. Warum? Angst! Und einen dunklen Waldweg geht man auch nicht – zumindest als Frau – alleine. Die Angst schützt uns hier. Aber: Weder darf Angst Gefahren und Risiken ausblenden noch Handeln blockieren.
Und schon sind wir drin im Thema „Krebs und Angst“, denn das kennt jede und jeder: Die Angst blockiert jeden Krebskrankten in den unterschiedlichsten Phasen der Krankheit.
Wie äußern sich Ängste?
„Angst ist ein ungerichteter Gefühlszustand, der eine unbestimmte Bedrohung signalisiert.
Charakteristisch für die Angst ist, dass sie sich auf eine unbestimmte Situation bezieht.
Im medizinischen Sinn sind Gefühle psychophysiologische Prozesse, die auf der Basis von Körperwahrnehmungen entstehen, die im Zentralen Nervensystem (ZNS) interpretiert werden und in das Bewusstsein einfließen.“ – so beschreibt es DocCheck (übrigens eine sehr gute Quelle für viele deiner medizinischen Fragen).
Symptome können unter anderem sein: Unruhe, Herzrasen, gesteigerte Atemsequenz, Schwitzen, Angespanntheit, Muskelverspannungen, Übelkeit, Zittern, aber auch Denk- und Wahrnehmungsstörungen, erhöhte Blasen- und Darmtätigkeit und Unsicherheit sowie Panik.
Wenn die Symptome der Angst ohne Grund oder durch einen inadäquaten (nicht passenden) Reiz auftreten, spricht man von einer Angststörung, die unbedingt behandelt werden sollte. Habe hier keine Scheu, das anzusprechen, onkologische Ärztinnen und Ärzte wissen sofort, um was es geht und werden dir helfen. Auch im Erwachsenenalter sind wir noch geprägt von Sentenzen wie „Angst muss man nicht haben“ („Jungs weinen nicht“ gehört auch dazu), lass dich davon nicht abhalten, Rat zu suchen! Du musst es nicht aushalten!
Eng „verwandt“ mit Ängsten ist die Panik/die Panikattacke
„Keine Panik bitte“ ist einer der dümmsten Sätze der Menschheitsgeschichte, denn einer Panik immanent ist ja, dass man sie nicht beeinflussen kann. Panikattacken sind Ausdruck der Angst und sind:
„plötzliche und zeitlich begrenzt auftretende Alarmreaktion des Körpers mit Angst und unbewusster, unwillkürlicher Symptomatik, die jedoch ohne objektiv fassbaren Anlass auftreten.“ Zitat wiederum DocCheck.
Symptome können unter anderem sein: Atemnot, Gefühl einer aufkommenden Ohnmacht, Hitzewallungen/Kälteschauer, Angst zu sterben, Gefühl eines Kontrollverlusts, Entfremdungserlebnisse. (Man hat das Gefühl – so beschreiben es Patienten – während einer Panikattacke die eigene Umwelt „wie durch Milchglas“ wahrzunehmen.)
Weiter aus DocCheck: „Im Rahmen einer Panikstörung vermehrt auftretende Panikattacken können zum sozialen Rückzug mit Tendenz zum Bleiben in der Wohnung als sicherer Umgebung. Eine ständige Angst, es könne etwas Schlimmes passieren, wird zum Leitmotiv des Handelns.“
Hier ist es dringend angeraten, professionelle Hilfe zu suchen zum Beispiel im Rahmen einer Verhaltenstherapie. Aber das besprecht bitte alles unbedingt mit eurer Ärztin oder eurem Arzt.
So viel zum medizinisch-fachlichen Hintergrund. Er wird dich nicht interessieren, wenn dich die „kalte Hand“ wieder einmal gepackt hat, mir selbst hat das Wissen auch erst mit der Zeit geholfen, und vor allem das Wissen, nicht allein mit diesem verdammten Phänomen zu sein.
Du bist nicht allein!
Die (vielleicht) beruhigende Nachricht daran ist zunächst, dass du nicht allein bist, dass das alles völlig normal ist und (fast) alle Krebspatienten das Gleiche durchmachen. Bei mir traten die Ängste beispielsweise nach der Therapie verstärkt auf. Auch das, erklärte mir meine Psychologin, ist völlig normal, denn nach dem du dich körperlich sozusagen halbwegs repariert hast, kommt die Seele dran und wird zur nächsten großen Baustelle. Denn die „Reparaturprozesse“ des Körpers ziehen so viel Energie, dass für die Ängste, die Seele gar kein Platz ist. Verstehe, dachte ich. Das kann ich nachvollziehen. Ich hatte alles daran gesetzt, körperlich wieder gesund zu werden, jeden Gedanken und jede Aktivität hatte ich darauf ausgerichtet. Nun waren meine Gedanken „Freiwild“, hatten kein Ziel und machten mir Angst.
Sieben Schritte gegen die Angst
Was jetzt folgt, ist keine „Checkliste“ nach dem Motto „Man nehme und dann abhaken“. Schön wär´s. Aber es ist ein Versuch, den „Stier bei den Hörnern zu packen“ und zumindest ein bisschen Autonomie zu gewinnen. Denn: Für alle Situationen im Verlauf deiner Krebserkrankung, also nach der Diagnose, im Verlauf der Therapie, bei Rückschlägen und niederschmetternden Nachrichten – und eben auch nach der „überstandenen“ Behandlung – gibt es Strategien, die jeder anwenden kann, um seine Ängste besser in den Griff zu bekommen.
Erster Schritt. Die Angst benennen.
Es beginnt damit, dass du dir überlegst oder besser noch notierst, wie deine Angst aussieht. Beschreibe sie und ordne sie ein:
Also ist es:
- die Angst vor Schmerzen, den Folgen der Therapie, den Nebenwirkungen?
- die Angst vor Trennung, Verlust und Isolation (Partnerschaft, Freunde, Beruf)?
- die Angst vor dem nächsten Untersuchungsergebnis, dem nächsten Arztgespräch, der Visite?
- die Angst vor einem Rückfall, Metastasen oder einer Verschlechterung deines Krankheitsverlaufes?
- die Angst vor der Abhängigkeit von anderen Menschen, dem Verlust der Selbstständigkeit und der Lebensqualität?
- die Angst davor, dass es schief gehen könnte, die Angst vor dem Tod?
Was ist es bei dir? Wie „heißt“ deine Angst?
Meine Bitte an dich: Nimm dir einen Zettel, ein Notizbuch oder dein Tagebuch und notiere dir, mit welchen Ängsten du zu kämpfen hast.
Zweiter Schritt. Krebs macht Angst.
Atme erst mal tief durch und mache dir klar, dass diese Ängste in dieser Situation kein absonderliches Phänomen sind. Alles was vorher verlässlich erschien, gut funktionierte, ist ins Wanken geraten. Deine Welt ist aus den Angeln gehoben. Zeige mir irgendjemanden, der da keine Angst hat. Du wirst ihn nicht finden.
___________________________________________________________________________
Exkurs: Den letzten Impuls zu diesem Artikel gab mir das sehr eindeutige Ergebnis einer kleinen Umfrage (67 Teilnehmer; Mehrfachantworten waren möglich) mit der Überschrift: „Was sind deine aktuellen Herausforderungen?“
Dabei kam heraus, dass „Der Umgang mit meinen Ängsten“ (mit insgesamt 46 Stimmen) klar auf dem ersten Platz landete, auf Platz zwei: „Die Verarbeitung meiner Diagnose“ (mit 21 Stimmen) und den 3. Platz teilten sich: „Der Umgang mit den Nachwirkungen der Chemotherapie“ und „Die formellen Herausforderungen (Krankenkasse, Rentenversicherung, Versicherung etc.)“ (mit jeweils 11 Stimmen).
____________________________________________________________________________
In diesem ersten „Gespräch mit dir selbst“, gehört auch dazu, zu verstehen, dass Ängste ihre Berechtigung haben. Andere, „gesunde“ Menschen haben ebenfalls Ängste. Du bist nicht „out of order“, im Gegenteil.
Denn in diesen Situationen meldet sich ein wichtiger Teil deines Gehirns, die Amygdala. Vor meiner Krebserkrankung wusste ich auch nicht, was „das“ ist, jetzt, da ich mich damit befasst habe, umso mehr. Sie ist ein Teilbereich des limbischen Systems und ist – sehr verkürzt gesagt – unter anderem dafür da, in Gefahrensituationen die Ausschüttung von Botenstoffen wie Dopamin, Serotonin und Adrenalin auszulösen und uns auf Gefahren angemessen reagieren zu lassen. Das kann Flucht bedeuten oder aber Wehrhaftigkeit. Ängste – siehe oben – sind Urinstinkte und überlebensnotwendig.
Kleines „To-do“ für dich:
Wenn du magst, kannst du dir die für dich wichtigen Sätze aus dem zweiten Schritt unter die Benennung deiner Ängste schreiben. Dann hast du alles zusammen und auf einen Blick.
Dritter Schritt. Sprich über deine Ängste.
Das Verbalisieren ist ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Teil der Verarbeitung von Ängsten, aber auch für das Verarbeiten von belastenden Dingen, die bereits etwas zurückliegen.
Wer dein Gesprächspartner sein soll, legst natürlich du fest. Das können Freunde, Partner, Angehörige, deine Lieblingsmenschen sein, ein guter (Vertrauens)Arzt oder eine Psychologin/Psychoonkologin. Bei egal wem gilt, nimm dir Zeit und versuche so offen wie möglich zu sein.
Wenn du mit einem Arzt deine dich beängstigenden Fragen zur Diagnose oder Behandlung besprechen und ihm deine Gedanken mitteilen möchtest, dann mache dir unbedingt vorher Notizen. Denn ist etwas diffus oder unklar, wird unser schlechtes Gefühl genährt. Manchmal haben wir Vorstellungen von bestimmten Diagnosen, Verläufen, Therapien, die überhaupt nicht zutreffen. Detailfragen erklärt zu bekommen, kann dir schon einen großen Teil deiner Angst nehmen.
Man nennt das übrigens auch „Subjektive Krankheitskonzepte“. Wie schädlich diese irrigen Annahmen sein können, denen du aufgesessen bist, erfährst du in meinem Interview mit der Psychoonkologin Dr. Martina Preisler. Ein Beispiel für das von mir umgetaufte „Ich weiß Bescheid“-Syndrom: Stress macht krebskrank. Hier der Link.
Schreiben befreit
Du kannst aber auch – wie ich es gerne tue – über deine Gefühle schreiben. Die Wahl fiel bei mir auf ein großes Notiztagebuch, in das ich auch schöne Bilder einklebe. Ganz im Vertrauen, als ich begann meinen Blog zu schreiben, war meine ursprüngliche Motivation, die Wut in mir herauszuschreiben, die Wut über den Einbrecher „Krebs“, die Wut darüber mein altes Leben verloren zu haben und schließlich die Wut über diese fürchterliche Boutiqueverkäuferin, die meinte, (Kurzfassung) Krebspatienten sollten ihre Umwelt nicht mit ihren Problemen belästigen. (Hinweis: Die ganze Geschichte kannst du in meinem Beitrag „Warum dieser Blog“ nachlesen.)
Erst viel später habe ich festgestellt, dass ich mir meine Gedanken von der Seele schreibe, all die Geschichten und Begegnungen, die sich angestaut hatten. Außerdem konnte (durfte) ich mich mit euch, mit anderen austauschen und kann jetzt sogar seit einiger Zeit wieder (relativ) angstfrei durchs Leben gehen. Das Schreiben war meine Therapie, sie hat mir geholfen meine Ängste zu kanalisieren.
Welchen Weg du wählst, entscheidest du. Logisch. Denn natürlich gibt es kein Richtig, kein Falsch, keine Matrix. Ganz getreu dem Klassiker von Frank Sinatra: „I did it my way“!
(Einschub: Ich erhalte so viele Mails – manchmal auch Kommentare auf meine Beiträge – von Betroffenen aus der Cancer Community, die mir ähnliche Situationen schildern und froh sind, dass sie nicht allein sind mit ihren Gedanken. Danke an alle, die das hier lesen und sich angesprochen fühlen.)
Deine Aufgabe hier:
Wenn du Fragen an die Ärztin/den Arzt hast, notiere sie. In der Aufregung vergisst man schnell, was man fragen wollte, daher gilt auch hier wieder: aufschreiben und noch viel wichtiger: bringe deine Fragen, deine Beobachtungen auch an den Mann oder die Frau. Meint: stelle sie!
Da ich selbst, weiß, wie gut mir das Schreiben durch die Ängste fühlt, empfehle ich dir meine Podcastfolge mit der Spiegel-Bestseller Autorin und Schreibcoach, Alexandra Brosowski dazu: #22 – „Schreib es dir doch einfach von der Seele.“ – Zellenkarussell
Vierter Schritt. Negative Gedanken umleiten.
Du hast ja vielleicht schon mitbekommen, dass ich auch einen Podcast habe. Nun, warum erzähle ich das gerade hier in diesem Zusammenhang? Klar, hatte ich auch Angst, dass mich ein Shitstorm trifft, meine Stimme nicht gut klingt, ich die Technik nicht beherrsche und meine Interviewgäste die Augenbrauen hochziehen, weil sie die Fragen banal finden.
Aber das ist gar nicht der Punkt, darum geht es mir nicht, sondern um einen Satz, den ein cooler Typ aus einem der unzähligen Video-Tutorials sagte: „Shit in, shit out!“ Du musst schon für das richtige Equipment sorgen, um einen guten Ton zu erzeugen. Später im Schnitt kriegst du das nicht mehr gut raus. Er hatte ja so recht (schmunzel).
„Shit in, shit out“
Was ich dir damit sagen möchte, errätst du sofort. Richtig: Mit deinen Gedanken ist es genau das Gleiche: „Shit in, shit out“. Wir sehen leider oft nur die negativen Dinge und setzen keine Filter ein, die die schädliche Geräuschkulisse eindämmen könnten.
Es beginnt mit der Wahrnehmung, geht dann über das Denken (Urteilen) zum Fühlen und schließlich zum Handeln. Diese Kette wird in schneller Folge unbewusst ausgelöst. Jeder deiner Gedanken initiiert Prozesse im Körper. Das solltest du dir bewusst machen. Gute Gedanken schütten zum Beispiel Glückshormon wie Oxytocin und DHEA aus. Negative Gedanken dagegen Cortisol, das nach und nach deine Organe angreift. Ich übertreibe jetzt wahrscheinlich, aber manchmal „vergiften“ wir uns tatsächlich selbst.
Der Tipp: Versuche gedanklich nicht weiter die „innere Kellertreppe“ herunter zu gehen, sondern veranlasse einen Gedankenstopp. Lenke die negativen in positive Gedanken um (Refraiming: Umdeutung) und durchbrich alte Verhaltensmuster, tue etwas ganz Neues, überrasche dich selbst oder lenke dich schlicht einfach mal ab: Höre Musik, gehe spazieren, triff dich mit Freunden (Zoomen oder Skypen geht natürlich auch). Überlege dir Dinge, die dir gut tun.
Meine Bitte an dich:
Beobachte deine Gedankengänge, und leite sie bewusst um, wenn du merkst, du läufst die „innere Kellertreppe“ runter. Nimm lieber den Aufzug zur Dachterrasse und genieße die Aussicht.
Fünfter Schritt. Erstelle eine Ressourcenliste.
Wir alle haben früh begriffen, dass die Krebserkrankung für uns Neuland ist. Alte Kriseninterventionen oder das berühmte „Trouble Shooting“ helfen nicht, da wir uns auf unbekanntem Terrain bewegen. Jeder der bisher gewohnt war, von seinem Erfahrungsschatz zu profitieren oder immer Pläne in der Hinterhand hatte, sollten bestimmte Dinge nicht so laufen, wie gedacht, der kommt schnell an seine Grenzen und muss sie neu justieren.
Da kann es hilfreich sein, sich auf seine eigenen Ressourcen, seine Stärken zu besinnen oder auch Kraftquellen zu benennen und diese natürlich auch zu nutzen.
Überlege was das sein kann, und notiere sie dir so, dass du sie schnell parat hast, wenn du sie brauchst. Wenn du zu den kreativen Menschen gehörst, gestalte deine Auflistungen grafisch oder male ein Bild. Ziel ist es, sich diese – wie auch immer gestaltete Liste – gerne anzusehen, sie dir vor Augen zu halten. Sie soll ein wohliges Gefühl in dir auslösen, dir Kraft geben. Es reicht natürlich auch, wenn du dir deine Ressourcen, deine Stärken einfach immer mal wieder innerlich vorliest.
Was sind deine Stärken, deine Ressourcen?
- Vielleicht ist es die Fähigkeit, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, deine Art zu kommunizieren, Menschen zu motivieren.
- Oder deine schnelle Auffassungsgabe, deine körperlichen Reserven durch deine Sportlichkeit, deine Flexibilität, dich schnell auf neue Situationen einzustellen, Dingen eine Struktur zu geben.
- Oder bist du ein guter Analyst, ein guter Zuhörer und Berater für deine Freunde, deinen Partner, deine Partnerin (und bitte lest diese Aufzählungen mit eurer „gegenderten“ Brille.)
- Dann könnte es dein wunderbarer Humor sein, deine Energie, deine Lebenslust und deine Neugierde.
- Schließlich deine Fähigkeit, Liebe zu geben, deine Kreativität, dein Glaube (an was auch immer) und, und, und.
Dir fällt garantiert etwas ein.
Kraftquellen können sein: die Natur, die Musik, Spaziergänge, Yoga, Achtsamkeitstraining, Meditation, Qigong, Sport, Mode, „Sich-schön-machen“, Kochen, dein Garten, dein Balkon, deine Tiere, Kuscheln mit deinem Partner, Massagen, ein Ausflug, ein Tapetenwechsel etc.
Deine Aufgabe hier:
Du ahnst es schon … Notiere dir deine Ressourcen, deine Stärken und deine Kraftquellen und: nimm dir diese Liste immer wieder zur Hand und lese sie dir selbst vor, wie ein kleines Mantra.
Aber vor allem: Setze deine Ressourcen und deine Kraftquellen ein!
Ganz frisch erschienen!
Mein Ratgeber „Warum sagt mir das denn niemand? – Was Du nach einer Krebsdiagnose alles wissen musst.“, 168 Seiten mit sehr praktischen und persönlichen Tipps für dich und deine Angehörigen. Ebenfalls in einer neuen Auflage, mein „Angstworkbook“ .
Für mehr Informationen, klicke auf diesen Link.
Sechster Schritt. Der Krisen- oder Notfallplan.
Das Prinzip, das hinter dem Aufstellen eines Krisen- oder Notfallplanes steckt, ist, das innere Gedankenkarussell zu verlassen und die Konzentration nach außen zu lenken.
Das Denken und Fühlen sind durcheinander, alles dreht sich und konzentriert sich auf die fatalistische „Alles-oder-Nichts“-Einstellung. Gefühle sind entweder gar nicht mehr wahrnehmbar oder sehr intensiv – Angst, Wut, Leere, Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Einsamkeit sind übermächtig. Wir sind gefangen in der Innensicht. Daher helfen in diesen Situationen Entspannungsübungen nicht, sie sind sogar kontraproduktiv, da sie die Beschäftigung mit der eigenen inneren Welt und letztlich die Anspannung verstärken.
Um die Balance zwischen Innen und Außen wiederherzustellen, hilft es, den Fokus mehr nach außen zu richten, die Welt um dich herum ins Bewusstsein zu holen. Gerade in der Nacht geben wir uns der Kraft der eigenen, quälenden Gedanken hin. Einsetzen kannst du deinen Notfallplan immer dann, wenn du merkst, dass deine „Innenwelt“ die Regie übernimmt.
Es gibt aber Ereignisse, die förmlich nach einem solchen Plan rufen:
Das sind weichenstellende Untersuchungen wie CTs, PET-CTs, Sonografien, Mammografien, Zwischenscreenings, Nachsorgeuntersuchungen, Biopsien oder Arztgespräche, die Aufnahme/Aufenthalte in der Klinik, das Gespräch mit dem Arbeitgeber, erste Gespräche mit den Angehörigen, den Kindern und, und, und.
Am besten ist, du teilst deine „Maßnahmen“ oder „Aktionen“ – wichtig ist das Tun, nicht das Denken – in nachts, abends und tagsüber auf.
Beispiele für einen Notfallplan:
Nachts:
Ich mache mir meinen Lieblingstee, eine heiße Milch.
Abends:
Ich schaue mir eine Folge meiner Lieblingsserie an, höre ein Hörbuch, das mich inhaltlich etwas fordert und meine Gedanken in eine andere Richtung bringt, ich löse ein Rätsel/Sudoku, räume die Küche auf, ich nehme eine Dusche (heiß/kalt), mache mir eine Wärmflasche.
Tagsüber:
Ablenken, ablenken, ablenken.
- Wenn dir Düfte helfen, setze Kaffeeduft, Gewürze oder Duftöle ein. Manche empfehlen auch den Einsatz von sog. „Rescue“-Tropfen, die du einnehmen oder auf deine Schläfen und deine Handgelenke geben kannst. Chinesisches Pflanzenöl gehört auch dazu. Probiere es aus, wenn du magst.
- Sich mit Freunden treffen, zum Spaziergang verabreden.
- Packe mal wieder dein Musikinstrument aus, wenn du eins hast oder lerne eins zu spielen.
- Malen, schreiben, singen.
- Ideen entwickeln, die dir den Alltag erleichtern (Kinderbetreuung, Hausaufgabenunterstützung, Verstärkung suchen, die dir deine Einkäufe erleichtert (Getränke) … )
Meine Empfehlung für dich:
Erstelle deinen Plan und „ziehe“ ihn, wenn du ihn brauchst.
Siebter Schritt. Raus, aus der Panikfalle.
Eine gute Technik ist die „5-4-3-2-1-Übung“ nach Yvonne Dolan. Sie ist so angelegt, dass du dich voll auf das „Hier und Jetzt“, auf die Gegenwart konzentrierst. Sie kann übrigens auch eine gute Einschlafhilfe sein: „Schäfchen zählen“ mal anders.
Du kannst diese Übung mit geöffneten oder später mit geschlossenen Augen machen. Schön ist, wenn du eine für dich angenehme Position einnimmst und/oder dir ein kuscheliges Plätzchen suchst. Das hilft, den Effekt zu verstärken, ist aber nicht zwingend notwendig.
So läuft die Übung ab:
Du beginnst mit geöffneten Augen.
a) Richte den Blick auf einen Punkt im Raum (kann auch ein Platz draußen sein) und zähle nacheinander – laut oder in Gedanken – fünf Dinge auf, die du siehst (z.B.: „ich sehe die Gardine“).
b) Dann fünf Dinge, die du hörst (z.B. „ich höre, einen Vogel zwitschern“),
und schließlich
c) fünf Dinge, die du spürst (z.B. „ich spüre das kuschelige Kissen in meinem Rücken“).
Diese drei Aufzählungen gehst du ein erneutes Mal – mit anderen Sichtpunkten/Gegenständen, Geräuschen, spürbaren Dingen – durch und reduzierst die Anzahl immer um eine Sache. Bis du schließlich bei ‚Eins‘ angelangt bist.
Wenn du magst, beginne von vorn.
Wichtig: Bei der Umsetzung dieser Übung gibt es kein Richtig oder Falsch. Wenn du zum Beispiel immer wieder dieselben Dinge benennst, so ist das genau deine derzeitige Wahrnehmung. Verzählen oder Abschweifen mit den Gedanken ist auch kein Problem. Mache einfach da weiter, wo du gerade stehengeblieben bist.
Mein Tipp für die Umsetzung:
Du kannst diese Übung schon vor der Panik trainieren, so fällt es dir leichter sie anzuwenden, wenn eine Paniksituation tatsächlich heranrollt. Denn wie oben erwähnt, eignet sie sich auch, um mehr zur Ruhe zu kommen oder einzuschlafen.
Ich wünsche dir/euch viel Erfolg bei der Umsetzung meiner 7 Schritte und hoffe sehr, dass ich helfen konnte.
In der #Folge 3 „Angst lass nach!“ von Nellas Neuaufnahme erfahrt ihr, wie es mir nach der Diagnose ergangen ist, wie ich mit meinen Ängsten umgegangen bin.
Schreibt mir gerne ich die Kommentare, was euch besonders anspricht und noch besser, was euch geholfen hat. So könnt ihr auch andere ermuntern einige Übungen auszuprobieren. Wäre doch toll.
Traut euch! Trau dich!
Herzlichst, deine/eure Nella.
Kleiner Bonus für‘s Durchhalten:
Mein Fundstück für alle, die gerne Yoga machen oder endlich mal damit anfangen möchten: Yoga bei Angst und Panikattacken – mit 3 Asanas
Lesetipps für dich:
2 Gedanken zu „Angst lass nach! – In sieben Schritten gegen ein Gefühl, das jeder kennt“
Was ich gerade an Text überflogen habe, fand ich sehr gut, und schon einige praktische Tipps nachvollziehbar und hilfreich. Ich werde mich auf jeden Fall intensiver damit beschäftigen und etwas von den angebotenen Texten bestellen.
Danke an die Autorin, habe mich schon beim 1. Lesen sehr angesprochen und verstanden gefühlt.
Das freut mich sehr, liebe Gabriele und alles Gute.
Herzlichst
Nella