Welcher Behandlungsrahmen ist der richtige?
Nach neun Jahren der Behandlung in der Charité bin ich Ende letzten Monats in „meine” Praxis zurückgegangen. Die erste Chemo erhielt ich hier. Doch schnell wurde entschieden, dass ich nicht mehr weiter in den gemütlichen Räumen “auf dem Sonnendeck” (wie ein lieber Mitpatient und ich immer sagten) therapiert werden sollte. Mein Non-Hodgkin-Lymphom war eine Nummer zu groß, wie mir mein Behandler gestand. 4. Stadium und besonders aggressiv. Die Gefahr, dass auch mein Gehirn betroffen sein könnte, bestand. „Sie sind ein besonderer Fall. Da müssen Menschen mit mehr Expertise drauf schauen. Das können wir hier nicht leisten.”
Glück im Unglück
Was für ein Glück, dass er das so eingeschätzt hat. Er überwies mich in die Charité. Ohne diese souveräne und kompetente Entscheidung wäre ich nicht geheilt worden, da bin ich mir ganz sicher. Das war eine Weggabelung, die mir das Leben gerettet hat.
Anmerkung an dieser Stelle: Auch ein Gradmesser für einen kompetenten Arzt oder eine kompetente Ärztin ist für mich, holt er oder sie sich von anderen Kolleg:innen Rat und bittet um Unterstützung und sagt auch mir: „Da muss ich mich noch mal schlau machen, das kann ich Ihnen nicht spontan beantworten.“
Das war für mich umso erstaunlicher, weil meine Krebserkrankung erst gar nicht erkannt wurde, obwohl alle Vorzeichen einer B-Symptomatik vorlagen, die auf ein Lymphom hindeuteten. Alles begann mit einer fast fatalen Fehldiagnose. Hätte ich nicht entschieden, mich selbst in die Notaufnahme zu begeben, würde ich jetzt in diesem Moment nicht fröhlich vor mich hin tippen. To make a long story short: Das Krankenhaus behielt mich gleich dort und da traf ich auf den Arzt, der mich dann glücklicherweise in die Charité überwies.
Eine meiner zahlreichen Erkenntnisse aus der Therapie ist:
Es gehört oft einfach auch wahnsinnig viel Glück dazu, die für Dich passende Adresse mit dem wissenschaftlichen Know how zu finden, der zu Deinem Fall passt. Der die Behandlungserfahrungen gemacht hat, um die passende Therapie einzuleiten.
Wie wir alle wissen, kann Zeit auch ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Behandlung sein, auch wenn es nicht immer um Stunden geht. Du weißt ja, in den wenigsten Fallen muss in den ersten 24 Stunden entscheiden werden, was zu tun ist. In meinen Worten möchte ich es so beschreiben: Bei meinem Non-Hodgkin-Lymphom war insofern Eile geboten, als es galt, gleich den richtigen Weg einzuschlagen und ein Ausdehnung des Lymphoms ins Gehirn zu vermeiden. Ob das jetzt medizinisch genau so richtig formuliert ist, weiß ich natürlich nicht. Ich bin keine Ärztin.
Was ich aber weiß, ist, dass ich innerhalb von fünf Tagen vom kuscheligen Therapieraum auf die wenig heimelige Station einer Uniklinik wechselte. Das war ein ganz anderes Umfeld, aber darum soll es hier heute nicht gehen. Das lag schon länger hinter mir.
Jetzt saß ich in der U-Bahn und machte mich auf zum Termin in die “alten” Praxisräume. Mal kurz neun Jahre zurück spulen. Wie würde das sein? Hatte sich etwas verändert und wenn ja, wie? Ein bisschen komisch vielleicht für Dich zu lesen, aber ich hatte so ein warmes Gefühl von nach Hause kommen.
“Hallo, ich habe heute einen Termin bei Ihnen.”
Und nun stand ich da, bekam einen Schauer nach dem anderen. Im Aufzug rannen mir die Tränen übers Gesicht. Ganz viele Bilder tauchten wieder auf. Situationen und Begegnungen, die ich fast vergessen hatte.
Wie oft saß ich dort schon auf dem Bänkchen und konnte vor Schwäche nicht mehr stehen, hatte nicht gewusst, was eine Transportverordnung ist, wie das abläuft, wie die Krankmeldefristen sind und was überhaupt alles auf mich zukommen würde. Diese ganzen Formalien brachten mich am Anfang fast an meine Grenzen, wie gut, dass mein Mann den Überblick behielt.
Jetzt war alles anders. Wilde Locken, fast zehn Kilo schwerer (damals wog ich gerade mal 66 Kilo bei 182 cm) mit viel Energie und einer klaren Idee stand ich vor der Anmeldung und flüsterte trotzdem fast ein wenig schüchtern: “Hallo, ich habe heute einen Termin bei Ihnen.”
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“Darf ich mitkommen?”
Aber warum habe ich diesen Schritt überhaupt unternommen? Warum bin ich zurück? Ganz einfach, mein Behandler in der Charité hatte sich entschieden, sich selbstständig zu machen und Kompagnon in “meiner alten” Praxis zu werden. Was für ein Zufall.
“Darf ich mitkommen?”, war meine spontane Reaktion, als er mir davon erzählte. Wie ein kleines Kind saß ich vor ihm und schaute ich ihn fragend an. “Na klar! Ich freue mich sehr.”
Noch ein Zufall war, dass ich schon länger überlegt hatte, aus der Uniklinik wegzugehen. Der Geruch, die kalten Flure, die vielen Patienten … Hatte mich aber nicht getraut. Und jetzt das. Das Leben ist manchmal schon verrückt.
Vielleicht geht es Dir gerade ähnlich und Du überlegst auch, ob Du nicht etwas verändern solltest. Dann habe ich eine kurze Checkliste für Dich, die ich mir vor dem Wechsel aufgestellt habe.
Meine Gedanken, mein PRO und CONTRA.
Die Vorteile der Uniklinik:
- Die hat das Tumorboard, den Kontakt zu vielen Kolleg:innen für den fachärztlichen Austausch.
- Die haben meine komplette Akte von Anfang an.
- Nach meiner Stammzelltransplatation brauche ich Ärztinn:innen, die sich damit gut auskennen. Meine Nebenwirkungen und Nachwirkungen einschätzen können.
- Du kannst auch schnell intern zu anderen Untersuchungen überwiesen werden. Zum Beispiel den für mich immer so wichtigen LuFu-Test (Lungenfunktionsstest) und dann
- ist meist das Budget für bestimmte Medikationen und Therapien größer als in der Praxis.
Der Nachteil ist, dass gerade in der Uniklinik:
- Die Ärzt:innen häufiger wechseln. Das ist besonders bitter, wenn die Chemie zwischen Patient:in und Behandler:in stimmt.
- Die Zeit für die Behandlung, das Gespräch oft sehr kurz bemessen ist, gerade dann, wenn Notfälle reinkommen oder er oder sie auf die Station gerufen wird.
- Die Wartezeiten meist sehr lang sind. Unter 2,5 Stunden war ich ganz selten raus aus der Ambulanz.
- Die Atmosphäre clean und kalt ist, viel Hektik auf den Gängen herrscht.
Die Praxis im Vergleich:
- In der Praxis, bei den niedergelassenen Kolleg:innen hast Du in der Regel den eine/n Ansprechpartner:in. Der/die hat oft auch mehr Zeit für Dich als der/die in der Klinik.
- Hier sind die Wartzeiten (meistens) nicht so lang wie im Krankenhaus.
- Das Tumorboard ist ebenfalls wichtig. In meinem Fall weiß ich, dass diese Praxis an das Board der Charité angeschlossen ist. Darüber muss ich mir also keine Gedanken machen.
- Dann sollte gewährleistet sein, dass ein Labor im Haus ist, was in sogenannten Onkologischen Schwerpunktpraxen meist der Fall ist. Meine Praxis ist eine solche. Für die Nachsorge würde ich immer diese Adresse bevorzugen und nehme dafür auch einen längeren Weg in Kauf.
- Die Räume sind warm und hell, alles ist viel gemütlicher und – nicht lachen – die Stühle sind weich und gut gepolstert.
Wegen des Budgets kannst Du Dich vorher erkundigen, ob Deine Medikamente nicht den Rahmen sprengen. Das habe ich auch getan.
Die entscheidenden Argumente für mich waren:
- Ich habe großes Vertrauen in meinen Arzt und schätze seine Kompetenz. Die Verbindung zur Charité hat er nach wie vor, wenn mal was sein sollte.
- Er kennt mich und meinen Fall in- und auswendig – naja, fast.
- Wir verstehen uns gut und wissen, den anderen zu nehmen. Da ist viel gewachsen über die lange Zeit.
Und wenn es mal eine Vertretung für meinen Behandler geben muss, dann ist das mein erster Arzt, der die Weitsicht und Größe hatte, sich mit meinem Fall an die Charité zu wenden.
Ich denke, das passt alles so.
Wie machst Du das?
Wofür hast Du Dich entschieden und warum?
Schreib mir das gerne in die Kommentare.