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„Therapie? Nee, so was brauche ich doch nicht!“

Wie oft habe ich diesen Satz schon von anderen gehört. „Ich bin doch nicht bekloppt! Nee, eine Therapie brauche ich nicht, das schaffe ich allein!“ Genau diese Spezies erzählte mir dann zwei Sätze später davon, dass sie schlecht einschlafen kann, sie neuerdings immer so gereizt ist und der Partner einen nicht mehr versteht, es oft Streit gibt.

Tja, was soll ich dazu sagen? Bei einer Krebsdiagnose liegt vieles eben doch tiefer und ist meist auf ausgeprägte Ängste zurückzuführen. Für den Umgang damit gibt es Fachleute, die gute Verhaltensempfehlungen im Köcher haben, die im vertraulichen Gespräch praktische, situationsbezogene Anregungen geben können und die heißen: Psychoonkologen. Das wäre doch mal einen Versuch wert!

Auf unserer Onko-Station hing im Glaskasten auf dem Flur ein Flyer mit den Namen und den dazugehörigen Gesichtern der krankenhauseigenen Psychoonkologen sowie deren Kontaktdaten. Ich habe mit der Kontaktaufnahme nicht lange gezögert und mir zu Beginn der Therapie eine ansprechend aussehende Stationspsychoonkologin ausgesucht. Das war ein perfekter Zufallstreffer und die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.

Die seelische Brücke

Glücklicherweise waren wir uns gleich sehr sympathisch und ich konnte ohne Scheu meine Sorgen und Nöte bei ihr los werden. Besonders wertvoll war auch, dass sie immer an den wöchentlichen Teambesprechungen der Ärzteschaft teilnahm. Dort wurden Neuzugänge und Besonderheiten mit dem gesamten Team (Oberarzt, Stationsarzt, Psychoonkologen, Sozialarbeiter, Stationsleitung und Bettenmanagerin) besprochen. Die mentale Verfassung wurde dann ebenfalls thematisiert und manchmal konnte ich sie als „Botschafterin in eigener Sache“ nutzen, um einem bestimmten Anliegen oder einer Bitte Nachdruck zu verleihen. Sie gab mir auch Tipps im Umgang mit den Ärzten und formulierte Anregungen, wie ich mich in bestimmten Situationen verhalten könnte. Therapeuten sind eine wertvolle „Brücke“ zwischen Arzt und Patient. Für die Genesung beziehungsweise den Verlauf der Krankheit spielt das seelische Geleichgewicht eine enorme Rolle. Was dich bedrückt, kannst du wunderbar mit der/m Therapeutin/en besprechen. Das entlastet dich und das ist gut so.

Dazu gleich zwei Beispiele:

Erstes Beispiel

Eine Situation ganz am Anfang meiner Therapie: Meine ca. zehn Jahre ältere Bettnachbarin hatte mich zu ihrem persönlichen „Kummerkasten“, zu ihrer Vertrauensperson, zu einem „Beste-Freundin-Ersatz“ erhoben und sich stark an meine Fersen geheftet. Sie war mein Schatten und mein kleines „Radio“, das unentwegt auf mich einplapperte. Selbst wenn ich Besuch hatte – sie hatte nie welchen – mischte sie sich munter in die Unterhaltung ein und adoptierte quasi meine Familie und meine Freundin. Ich ließ sie gewähren, denn sie tat mir leid, so ganz auf sich allein gestellt. Schließlich stand sie sogar neben mir am Waschbecken, um zusammen mit mir die Mundhygiene zu erledigen. Ich weitete erschrocken die Augen und gab ihr zu verstehen, dass mir das doch etwas zu nah sei.

Abgrenzung: ein wichtiges Thema

Einige Tage später, kurz vor der Entlassung, kam meine Psychoonkologin auf mich zu und fragte: „Sagen Sie mal, liebe Nella, möchten Sie beim nächsten Zyklus auch unbedingt mit ihrer jetzigen Bettnachbarin zusammengelegt werden?“ „Nein, wie kommen Sie darauf?“ „Na, Frau XY hat die Patientenmanagerin in ihrem Namen darum gebeten. Die wiederum hat mir davon berichtet, weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass das ihr Wunsch ist.“ „Aha“, sagte ich nachdenklich. Meine „Psycholady“ beeilte sich und fuhr fort „Selbst, wenn es so gewesen sein sollte, hätte ich Ihnen davon abgeraten. Sie kümmern sich zu sehr um andere. Sie müssen an sich selbst denken. Sie werden noch einige Begegnungen haben und sollten Ihre Kräfte gut einteilen. Achten Sie darauf, was Ihnen gut tut. Da Sie das aber zurzeit nicht einschätzen können, übernehme ich in diesem Falle für Sie und sage: eine erneute Nachbarschaft mit der Dame kommt nicht in Frage. Ich kann das nicht gutheißen. Und wenn Sie sich auch künftig selbst zu wenig abgrenzen, werde ich Ihnen dabei helfen. Das müssen Sie lernen.“ Das saß! Und was soll ich sagen: Recht hatte sie.

 Zweites Beispiel

Ich hatte ein Problem mit der aufklärerischen Sachlichkeit eines Oberarztes. Der war fachlich ein Spitzenarzt, keine Frage, aber leider traf er bei mir immer den falschen Nerv, wenn er mir Nachrichten von Belang und größerem Ausmaß – die berühmten „Katastrophennachrichten“ – überbrachte. Ich brach regelmäßig in Tränen aus und konnte mich danach oft nur schwer beruhigen. Meine Psychoonkologin gab mir den Rat, den Chefarzt davon in Kenntnis zu setzen und um eine Lösung für diese Situation zu bitten. Die Antwort kam postwendend.

Wenn es in der Kommunikation klemmt

Vorangestellt natürlich mit dem Hinweis auf die große fachliche Expertise seines Kollegen, die damit verbundene Wertschätzung und sein ärztliches Gespür – das eben nur leider bei mir nicht funktionierte. Sein Vorschlag lautete folgendermaßen: Entweder er (der Chefarzt) oder ein anderer Oberarzt würden künftig diese Gespräche übernehmen. Der Kollege würde sich weitestgehend aus meiner persönlichen, direkten Betreuung zurückziehen. Ich war ziemlich überrascht und erleichtert, denn genau so wurde es fortan gehandhabt. Ohne den Anstoß meiner Psychoonkologin hätte ich das sicher nicht gewagt.

Große Geste

Rückblickend bin ich allen drei Beteiligten (Therapeutin, Chefarzt und Oberarzt) für diese Herangehensweise von Herzen dankbar und weiß, dass das auch nicht unbedingt selbstverständlich ist. Denn natürlich wurde der Oberarzt von seinem Chef über meine Empfindlichkeit unterrichtet und nahm diese dankenswerterweise ernst und – hoffentlich –   nicht zu persönlich. Bei weiteren Visiten hielt er sich diskret im Hintergrund. Was für eine große Geste. Merci!

Nachtrag: Inzwischen verstehe ich mich auch mit diesem Oberarzt bestens, das Vertrauensverhältnis ist gewachsen, die gemeinsame Wellenlänge stimmt und ich weiß ihn in ganz hohem Maß zu schätzen. Und vor allen Dingen weiß ich, welch überaus großen Anteil er an meiner Gesundung hat.

Überhaupt trat meine Therapeutin immer zur richtigen Zeit in meinem Zimmer auf und suchte das Gespräch. Irgendwer aus dem Team hatte ihr entweder einen Hinweis gegeben, oder sie hatte grundsätzlich einen guten Riecher. Ohne sie wäre der Aufenthalt im Krankenhaus um einiges schwieriger gewesen. Daher meine Empfehlung: Vertraut euch so schnell wie möglich einem/r Psychoonkologen/in an. Es gibt übrigens auch Partnersitzungen oder Einzelgespräche für Partner/Angehörige, eine Krankheit hat so viele Perspektiven und jede einzelne ist wichtig.

Man muss viele Frösche küssen

Schwierig wurde die Sache mit der psychologischen Betreuung nach der Entlassung. Leider dürfen die Krankenhaus-Psychoonkologen die Patienten nicht ambulant betreuen. Jeder muss sich „draußen“ jemanden neues suchen. Das gestaltet sich oft sehr schwierig. Entweder ist das Angebot beschränkt, die Wartezeiten lang oder die oft zitierte „Chemie“ stimmt nicht. Ich musste einige „Frösche küssen“, bis ich die für mich passende Therapeutin gefunden hatte.

Die Suche

Sehr hilfreich bei der Suche ist die Internetseite des Deutschen Krebszentrums, der Krebsinformationsdienst. Dort könnt ihr über die Eingabe der Postleitzahl eine fachliche Auswahl finden. Wichtig: Schaut euch die Webseite der Anbieter an und vor allem das Foto. Könnt ihr euch vorstellen, von der Person auf dem Bild begleitet zu werden? Passt der Auftritt zu euch, fühlt ihr euch wohl mit den dargestellten Räumlichkeiten? Was sagt das Bauchgefühl? Und: Wie weit ist die Praxis entfernt?

Denn: Sollte die ausgewählte psychoonkologische Praxis nicht „um die Ecke liegen“ – was eher die Regel, denn die Ausnahme ist –, kann man versuchen, eine Transportbescheinigung zu bekommen. Außerdem gibt es Tage, an denen es einem hundeelend geht, an denen jeder Schritt weh tut und wer kann (oder mag) da quer durch die Stadt fahren? Auch das solltet ihr im Vorfeld klären, sonst seid ihr enttäuscht, wenn es daran scheitert. Der persönliche Bezug zum Therapeuten sollte immer wichtiger sein. Manchmal könnt ihr auch Skype-Sitzungen vereinbaren, wenn es mit der räumlichen Erreichbarkeit zu schwierig ist.

Welche Therapie?

Dann ist die Frage: Welche Therapieform ist richtig? Was bietet der Therapeut an? Welche Zertifikate, Weiterbildungen kann er/sie vorweisen? Mann oder doch lieber Frau?

Mir war gleich klar, es sollte eine Frau sein, die auch schon etwas Erfahrung hat. Dann wollte ich eine Verhaltens- bzw. Gesprächstherapie, keine große Psychoanalyse. Das war mir echt zu anstrengend. Ich wollte nur ein paar Dinge verstehen, sie besser einordnen und wissen, wie ich mich in ganz konkreten Situationen verhalten kann. Das ist selbstverständlich individuell sehr unterschiedlich und kann auch mit dem Psychotherapeuten vereinbart werden.  Aber schaut vorher genau hin: Was bietet er an, wo liegt der Schwerpunkt?

Meist müsst ihr bei der ersten Kontaktaufnahme erst mal auf einen Anrufbeantworter sprechen. Schildert die Situation so nachdrücklich wie möglich und erwähnt unbedingt, dass ihr Krebspatient/in seid. Dann geht es fixer mit dem Rückruf und hoffentlich auch mit der ersten Sitzung. Vereinbart einen nicht verpflichtenden Kennenlerntermin. Und lasst euch etwas Zeit mit der Entscheidung. Es sei denn, die Sache ist klar – positiv wie negativ.

Ich wünsche euch viel Erfolg!

Eure Nella

Was sagt ihr?

Welche Erfahrungen habt ihr bei der Suche nach einer/m guten PsychoonkologIn gemacht? ODER: Welche guten Tipps habt ihr, die ihr gerne weiter geben möchtet? Schreibt das gerne in das Kommentarfeld. Schon jetzt vielen Dank dafür. Herzlichst, Nella

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Ein Gedanke zu „„Therapie? Nee, so was brauche ich doch nicht!“

  1. Hi, liebe Zellenkarussell-LeserInnen, was macht eine gute Beziehung zu einem PsychoonkolgIn aus? Was schätzt ihr an der Unterstützung durch euren „Coach“? Liebe Grüße, Nella

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