Eine Frage, die mir öfter gestellt wurde und
die ich in diesem Beitrag an die nun folgenden starken Stimmen aus der Cancer-Community weitergebe.
Mit so viel Resonanz, Offenheit und Tiefe hatte ich nicht gerechnet. Jede für sich eine kleine, wichtige „Mutmach-Geschichte“.
Danke an alle, die mitgemacht haben.
Es war mir eine Ehre und ein Fest.
16 wunderbare Menschen standen mir Rede und Antwort.
Hier kommen sie nun, die Statements, in alphabetischer Reihenfolge:
P.S.: Am Ende des Beitrags kannst auch du kommentieren, wie du es mit der Antwort auf diese Frage hältst. Wir freuen uns alle auf deine Gedanken und Erfahrungen.
Schreib uns. Schreib mir.
Dieser Beitrag ist am 20. April 2021 erschienen und hat nichts von seiner Aktualität verloren.
Inhaltsverzeichnis auf einen Blick
Ganz konkret lautete meine zweiteilige Frage so:
Wenn du das Leben vor der Diagnose mit deinem Leben heute vergleichst, denkst du dann oft:
„Ich möchte so gerne mein „altes“ Leben zurück?“ Oder anders gefragt: Was hat sich für dich verändert, dass du so nicht erwartet hättest?
Alexanders Antwort: „Ich habe in der Zeit als Krebspatient sehr viel gelernt. Ich habe erfahren, was familiärer Zusammenhalt bedeutet und wie unendlich liebevoll meine Freunde mit mir umgehen. Aber ich habe auch viel verloren. Nicht nur mein Bein, sondern auch meine Unbeschwertheit und mein sorgenfreies Gemüt. Auf all diese Erfahrungen würde ich gerne verzichten, und ja, ich hätte gerne mein altes Leben zurück. Nichtsdestotrotz versuche ich das Beste aus meiner Situation zu machen und lebe nach dem Motto „Barrieren entstehen im Kopf“, denn von einer Beinprothese lasse ich mich nicht aufhalten.“
Alexander sagt über sich: „Ich bin Alex, ich bin 23 Jahre alt und lebe in der Nähe von Köln. Nach meiner Knochenkrebsdiagnose 2018 und unzähligen Operationen, unter anderem der Amputation meines Beines und vielen Chemotherapien, finde ich gerade zurück in mein „neues, altes“ Leben.“
Alexandras Antwort: „Ich habe ein Kind bekommen und sieben Wochen später eine Krebsdiagnose erhalten. Beides hängt eng zusammen, denn ich hatte ein Plazenta-Karzinom. Krebs im Mutterkuchen – hatte ich vorher nie gehört, ist auch sehr selten. Mein größter Schmerz war damals die Angst, meine beiden Kinder nicht nur nicht aufwachsen zu sehen, sondern, dass sie sich nicht mehr an mich erinnern können.
Ich habe nie gefragt „Warum ich“, sondern es angenommen und es erinnert mich bis heute – auch 19 Jahre danach – immer auch in schweren Zeiten daran, was wirklich wichtig ist. Das ist Zeit mit den Liebsten und Bewusstsein für meinen Weg, mein Dasein. Bis heute ist meine Krebserkrankung mein Leitstern, dass das Leben kostbar ist. Früher war ich menschlich und beruflich oft getrieben und verloren, heute bin ich Gestalterin meines Lebens und zutiefst dankbar.“
Alexandra sagt über sich: „Ich bin Alexandra Brosowski, Schreibcoach, Spiegel-Bestseller-Autorin und Online-Unternehmerin. Ich begleite Menschen beim Schreiben entweder im Business oder auch auf ihrem Weg zum eigenen Buch. Ich lebe in Schleswig-Holstein, dem Land zwischen den Meeren. Beim Blick aufs Wasser und in der Natur finde ich Ruhe. Bei meiner Krebsdiagnose war ich 37 Jahre alt. Heute bin ich 55, gesund und froh.“
Anetts Antwort: „Ich möchte mein altes Leben in der Tat nicht zurück oder nur in einem Punkt: ich wäre gerne arbeitsfähig. Ich habe gelernt, auf mich zu achten, ich laufe viel, ich habe Ausbildungen per Online-Seminar absolviert und stecke aktuell in der Ausbildung zum Meditationsleiter. Das hätte ich ohne die Diagnose und ihre Folgen nie gemacht. Jetzt muss ich und ich will.
Ich habe mich als Mensch verändert, bin vielen und vielem gegenüber offener geworden, habe ganz neue Seiten an mir entdeckt und alte wieder ausgegraben. Für diese Wende in meinem Leben hätte ich den Krebs echt nicht gebraucht – wer braucht den schon? -, aber ohne hätte es diese Wende so nicht gegeben, da bin ich mir sicher.“
Anett sagt über sich: „Ich habe 2018 die Diagnose Brustkrebs erhalten und mich bis Ende 2019 durch alle Therapien gekämpft. Der Krebs ist weg, Lymphödem und Fatigue sind geblieben, aber hey ich lebe! Darum geht es in meinem Blog – Leben mit und nach Brustkrebs und allem was mir so widerfährt.“
Stefans Antwort: „Aus meinem „alten“ Leben wünsche ich mir manchmal ein paar der guten, unbekümmerten Momente zurück. Ein von Krebs unberührtes Leben und die damit verbundene Unwissenheit über den Schmerz sind unbezahlbar. Doch das neue Wissen über das Leben mit und nach Krebs ist in vielerlei Hinsicht ein Geschenk. Krebs ist ein Intensivkurs in Sachen Achtsamkeit. Ich hätte nie gedacht, dass mir der Krebs so deutlich zeigt, welche Dinge und vor allem Personen wirklich wichtig sind im Leben.“
Kurzportrait: Stefan Kübler erkrankte 2016 an Peniskrebs, da war er 36 Jahre alt. Über seine Erfahrungen rund um das Leben mit und nach Krebs bloggt er als „Der neue Stefan“. Der heute 41-Jährige läuft in seiner Freizeit gerne Halbmarathon und lebt mit seiner Frau und seiner neun Monate alten Tochter im niedersächsischen Celle.
Elkes Antwort: „In meinem früheren Leben war ich wie eine Birke. Wache Augen. Meine Arme und Hände wirbelten in alle Richtungen, neugierig und suchend. Und vor allem war ich völlig unerschrocken! Wenn grollende Gewitter nahten und Blitze zucken, so habe ich fasziniert in den Himmel geschaut.
Heute bin ich eine stattliche Buche. Meine Blätter rauschen immer noch im Wind. Meine Arme und Hände sind steifer. Mein Stamm hat eine alte Wunde, von einem Blitzeinschlag, der mich einst, als ich neugierig in den Himmel schaute, überraschte. Ich bin erfahrener und gelassener. Aber wenn der Himmel sich zuzieht und es zu donnern beginnt, werde ich diesem Naturschauspiel nie wieder mit dieser bloßen kindlichen Neugierde begegnen!“
Elke sagt über sich: „Mein Name ist Elke Kückmann (42 Jahre alt). Ich wohne mit meinem Mann und meinem Sohn im schönen Schwabenland. Ich bin eine grenzenlose Optimistin und liebe es zu lachen!!!
Ich bin eines von ganz vielen Gesichtern der Diagnose Brustkrebs und habe seit kurzem einen eigenen Podcast: „Anton und ich“ Krebs – Mehr als nur ein Sternzeichen.“
Evelyns Antwort: „Es mag verrückt klingen, aber ich sage aus tiefstem Herzen, dass ich sehr dankbar bin, den Krebs 2011 bekommen zu haben. Zum einen hat er mich zu meiner wahren Berufung geführt, nämlich Autorin zu sein. Meine Aufgabe, nach der ich Jahre meines Lebens gesucht habe. Zum anderen habe ich mein Denken grundlegend geändert und bin heute voller Dankbarkeit unterwegs. Ich habe gelernt, anzunehmen, zu vergeben – mir selbst und anderen und lebe heute entspannt, glücklich und im tiefen Vertrauen, dass alles genauso geschieht, wie es soll.“
Evelyn sagt über sich: „Ich bin Evelyn Kühne, Autorin und Mutmacherin und schreibe seit 2016 Romane, die „Schokolade in Buchform“ sind. Meine Romane entführen und berühren und vermitteln ganz nebenbei den Mut zu Neuanfängen.“
Vonnis Antwort: „In meinem alten Leben konnte ich noch Kinder bekommen und war viel fitter als jetzt, das hätte ich natürlich gerne wieder. Doch mein „neues“ Leben ist auch schön geworden, denn ich achte jetzt mehr auf das, was mir gut tut, bin achtsamer im Hier und Jetzt und versuche, das Beste aus allem zu machen. Ich lache gerne und viel, bin kreativ und habe mich getraut, mein eigenes kleines Unternehmen „Glückselemente“ zu gründen.
Ich bin normalerweise 1x pro Woche bei den Kids im Kinderheim, um mit ihnen etwas Kreatives zu machen, und ich bin im Team von „Cancer Unites“, denn auch da möchte ich gerne etwas bewegen. Ich setze mich und meine Bedürfnisse mittlerweile an erste Stelle, denn wir haben nun mal nur dieses eine Leben und das darf so gelebt werden, wie es für mich richtig ist, ohne Erklärungen oder Rechtfertigungen. Denn ich bin genau richtig, so wie ich bin!“
Vonni sagt über sich: „Mein Name ist Yvonne „Vonni“, ich bin 37 Jahre alt, Mama eines 18 jährigen Sohnes und eines zweijährigen Pudels. Ich habe metastasierten Gebärmutterhalskrebs, bin aber trotz allem lebensfroh und lache gerne und viel. Ich blogge unter „Lachen gegen Krebs“ auf Instagram und Facebook und versuche so auf meine spezielle Erkrankung aufmerksam zu machen.“
Für mehr Durchblick und Sicherheit
Mein Ratgeber „Warum sagt mir das denn niemand? – Was Du nach einer Krebsdiagnose alles wissen musst.“, 168 Seiten mit sehr praktischen und persönlichen Tipps für dich und deine Angehörigen. Ebenfalls in einer neuen Auflage, mein „Angstworkbook“ .
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Annettes Antwort: „Eine Krankheit, besonders eine so langanhaltende, macht etwas mit einem. Für mich haben die neun Jahre mit der chronischen GvH-D nach meiner Knochenmarktransplantation viele Folgen gehabt – vor allen Dingen aber eine: Ich habe meine Wünsche nach meinem alten Leben verdrängt. Deshalb ist diese Frage sehr spannend für mich, und ich nehme Euch jetzt einmal mit tief hinein in mein Innerstes und buddele meine alten Lebensgewohnheiten aus:
Ich habe nicht erwartet, dass ich so lange und so stark körperlich eingeschränkt sein werde. Fitness ist ein Fremdwort für mich geworden. Dabei wünsche ich mir so sehr, dass ich endlich einmal nicht nach einer halben Stunde Spazierengehen völlig aus der Puste bin. Und ich bin traurig darüber, dass ich keine Skipisten mehr hinunter rasen kann und es auch nicht mehr schaffe, mich nach einem Sturz im Wasser auf mein heißgeliebtes Surfbrett zu schieben. Geschweige denn das schwere Segel hochzuziehen. Deshalb lasse ich solche Sportarten lieber sein.
Das Gute ist, es gibt Alternativen: Radfahren, Walken, und Segeln. Durch meine Immunsuppression ist es für mich gefährlich, in exotische Länder zu reisen. So habe ich alle südamerikanischen und afrikanischen Länder von meiner Liste gestrichen. Aber: meinen Lebenstraum, einmal quer durch Island zu reisen, den lasse ich mir nicht nehmen! In der Sonne liegen, Bikini an und gut aussehen – auch von dieser Vorstellung musste ich mich für den Rest des Lebens verabschieden. Klar, sagt Ihr, das ist nicht wichtig. Nein, nur ein kleines bisschen, finde ich …“
Annette sagt über sich: „Ich bin 59 Jahre alt, Biologin und lebe mit meiner Familie und meinem Hund in Aachen. Nach einer Brustkrebserkrankung in 2007 bekam ich in 2011 eine Vorstufe einer Leukämie, die mit einer Knochenmarktransplantation behandelt wurde. Danach war ich gesundheitlich lange angeschlagen und verlor 2017 meine Arbeitsstelle.
So habe ich begonnen, einen Roman über eine solche Transplantation zu schreiben („Annas Blut“, 2021. Mehr dazu hier: Romanautorin Annette Mertens (annette-mertens.de)) und meinen Blog zu gründen. Ich möchte damit Mut machen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass man als Patient viele Informationen zu diesem Thema sucht.
Mittlerweile arbeite ich sogar wieder als Biologie-Dozentin und freue mich darüber, fast nur noch das zu tun, was mir Spaß macht.“
Pollis Antwort: „In meinem Leben lief alles nach Plan – besser noch: ich lebte meine Träume! Als Musicaldarstellerin, glücklich verheiratet, Mutter eines Sohnes, Managerin in einem großen Kreuzfahrtunternehmen und zu guter Letzt als Hundefriseurin.
Durch die Schockdiagnose Krebs fing ich an zu schreiben, ließ schreibend mein Leben Revue passieren und merkte schnell, dass meine große Leidenschaft zum Leben auch Balsam für andere, betroffene Seelen ist.
So entstand mein Hörbuch “Das Lebensdingens – jetzt erst recht! Mit Selbstironie und positiven Gedanken dem Krebs in den Hintern treten“, welches bald als Neuauflage auch im Buchhandel zu finden ist. Es folgte noch eine kleine, feine Sammlung von Entspannungsreisen („Fantasiereisen – träumen, entspannen & glücklich sein“), die ebenfalls als Hörbuch veröffentlicht wurden.
Aktuell arbeite ich an der Fortsetzung meiner Geschichte, denn Tatsache ist: Es gibt ein Leben vor und mit etwas Glück auch nach dem Krebs.
Dass ich Autorin werde, hätte ich so nie erwartet und das ist der Grund, warum ich mein altes Leben nicht zurückhaben möchte. Nur die Zeit hätte ich gerne zurück. Denn, wir wünschen uns doch alle, mehr davon zu haben.“
Polli sagt über sich: „Mit meiner Zwillingsschwester am 5. August 1970, in Zürich geboren, lebe ich seit 1998 in Hamburg und seit kurzem in Schleswig-Holstein. Ich bin verheiratet und habe einen siebzehnjährigen Sohn, zwei Katzen und einen Hund. Ich bin eine unverbesserliche Optimistin, neugierig, ziemlich lebhaft, harmonisch und helfe gerne.“
Nellas Antwort: „Mein Leben vor der Diagnose war prallvoll, ich hatte viele Bälle in der Luft. Allein sein und Geduld üben, waren schwierige Themen für mich, die ich jetzt – fast sechs Jahre später – viel besser beherrsche. Stück für Stück habe ich in meiner „inneren Wohnung“ aufgeräumt und ausgemistet, Glaubenssätze überdacht, mich aus „toxischen Beziehungen“ gelöst und bin nicht mehr so getrieben.
Auf dem langen Weg dahin sind mir meine verschütteten Talente wie etwa das Schreiben und meine gestalterische Ader wieder begegnet: Das Entkommen aus der Krankheit hat viele Kräfte gekostet, aber auch freigelegt und mich stärker werden lassen.
Der Krebs ist wie ein Brennglas, er bringt deinen Charakter viel mehr zum Vorschein. Auch die Stärken. Bei mir ist es: „My second name is flexibility.“ – dieses Bewusstsein hatte ich in meinem „alten Leben“ nicht.
Und sonst: Es gibt kein Zurück mehr, wie auch, ich denke immer nach vorne.“
Zur Person: Nella Rausch (*1966 in Dortmund), Mutter von drei Kindern. verheiratet und seit 1996 in Berlin lebend. Ausbildung: Jurastudium (Nebenfach: Sinologie) und Textstudium an der KKH Kommunikationsakademie Hamburg. Sie hat als Journalistin, Werbetexterin, PR-Consultant, Prokuristin und Projektleiterin gearbeitet.
Ihr Blog: Zellenkarussell mit einem eigenen Podcast „Nellas Neuaufnahme – Warum sich Patienten und Ärzte besser verstehen sollten.“
Ihr Ratgeber: „Warum sagt einem das denn niemand?“ – was Krebspatienten alles wissen müssen.
Susannes Antwort: „Kurze klare Antwort: Nein.
Nein, ich möchte mein altes Leben nicht zurück. Die „alte“ Susanne hatte vor allem und jedem Angst. Angst vor Blutproben, Vorgesetzten, Prüfungen, Flöhen im Sand, Keimen im Wasser. Kaum hatte sich eine als überflüssig erwiesen, tauchten sieben neue auf.
Nach meiner Diagnose war es damit schlagartig vorbei. Alles Pillepalle im Vergleich zu dem, was mir da auf einmal reinschneite. Noch nicht mal mehr vor der heftigen Behandlung selbst hatte ich Angst. Sie wurde vertrieben von zwei Überlebensregeln, die mein Gehirn in Endlosschleife funkte:
- Immer hübsch im Hier & Jetzt bleiben.
- Kann übel kommen, muss aber nicht.
Was mich heute, vierzehn Jahre später, immer wieder überrascht:
Diese Überlebensregeln sind immer noch auf Sendung. Ich bin nicht mehr dauerhaft in die Vollangst zurückgerutscht. Das habe ich einer super Therapeutin zu verdanken – aber auch ein ganzes Stückweit mir selbst und meiner Krebserfahrung.“
Zur Person: Susanne Reinker ist ausgebildete Übersetzerin für Französisch und Englisch. Sie war fünfzehn Jahre lang als Referentin und Pressesprecherin in der deutschen Filmbranche tätig, bevor sie sich kurz vor ihrem 40. Geburtstag als Übersetzerin und Autorin selbständig machte. Bisher hat sie sieben Bücher geschrieben, darunter den SPIEGEL-Bestseller Rache am Chef: Die unterschätzte Macht der Mitarbeiter und den Alltagsratgeber für Krebsneulinge Kopf hoch, Brust raus: Was wir im Umgang mit Krebs alles richtig machen können.
Annettes Antwort: „Seit meiner ersten Krebserkrankung ist nichts mehr so wie früher. Sie hat auf subtile Art und Weise meine Sinne geschärft für alles Lebendige auf dieser Welt, als ob wirkliches Leben in mein Dasein getreten ist, sinnbildlich: wirkliche Freude, wirkliche Traurigkeit, wirklicher Sommer, wirklicher Winter, wirkliches Gelb und wirkliches Grün. Mein heutiges Leben möchte ich gegen mein altes nicht eintauschen, wohl aber liebend gern den Krebs abgeben.“
Zur Person: Annette Rexrodt von Fircks ist Autorin und Gründerin der Rexrodt von Fircks Stiftung für krebskranke Mütter und ihre Kinder, glückliche Mama von drei Kindern und glücklich verheiratet.
Dirk („Don“) Rohde
Blogger, Gründer einer Selbsthilfegruppe für Kopf-Hals-Mund-Krebspatienten, unermüdlicher Spendengeldsammler und PolizeibeamterDons Antwort: „Mein Leben hat sich durch meine Erkrankung und den Weg, den ich gehen musste, um zu überleben, maßgeblich verändert. Ich war vor meiner Erkrankung eher oberflächlich. Mein Blick auf das Leben hat sich komplett verändert. Ich habe das Bedürfnis, anderen Erkrankten zu helfen, um damit etwas zurückzugeben. Denn ich darf derzeit weiter leben, trotz keiner guten Prognose.
Durch das Helfen erhalte ich so viel zurück. Vor allem habe ich das Gefühl, meinem Leben einen tieferen und besseren Sinn zu geben. Gleichwohl hätte ich gerne die in meinem vorherigen Leben vorhandene Fähigkeit zurück, mit Genuss zu essen. Essen bedeutet Lebensfreude pur für mich.
In meinem Fall leide ich seit meiner Behandlung unter Dysphagie (Schluckstörung) und esse nur noch, weil ich es muss. Weiterhin fühlen sich Mund und Hals täglich schrecklich an. Eine Folge mehrerer Operationen und der adjuvanten Chemo-Strahlentherapie. Auch hier wäre es schön, sich wieder wie ein Gesunder zu fühlen. Aber das ist nicht möglich und ich habe mich, soweit es geht, daran gewöhnt. Es ist nun mal nicht zu ändern.
Fazit: Vieles hat sich seit meiner Erkrankung in meinem Leben geändert und das Meiste ist positiv. Deswegen bin ich sehr glücklich, so wie es ist.“
Don sagt über sich: „Mein Name ist Dirk Rohde, Spitzname Don. Ich bin 57 Jahre alt und arbeite seit 38 Jahren als Polizeibeamter in der Großstadt Köln. Im Mai 2015 erkrankte ich an einem Zungengrund-Karzinom. Nach Erstdiagnose, mehreren Operationen und einer adjuvanten Radio-Chemo-Therapie lebe ich nun bereits knapp sechs Jahre später immer noch.
Nach meiner Erkrankung fand ich den Weg zurück ins Leben und auch wieder in meinen Beruf. Zudem arbeite ich seit dem ehrenamtlich als Patientenbetreuer für Kopf-Hals-Mund-Krebs e.V., als Onkolotse im CIO der Uniklinik Köln. Ich habe in Köln eine Selbsthilfegruppe für Kopf-Hals-Mund-Krebspatienten gegründet und kümmere mich um an Krebs erkrankte Kinder.“
Ganz frisch im November 2022 erschienen!
Mein Ratgeber „Warum sagt mir das denn niemand? – Was Du nach einer Krebsdiagnose alles wissen musst.“, 168 Seiten mit sehr praktischen und persönlichen Tipps für dich und deine Angehörigen. Ebenfalls in einer neuen Auflage, mein „Angstworkbook“ .
Für mehr Informationen, klicke auf diesen Link.
SUs Antwort: „Mein Leben vorher war nicht schlecht, aber es war vielleicht noch nicht ganz vollkommen. Ich habe nun Hobbies gefunden, die mich glücklich machen, einen Partner, der mich bedingungslos liebt, und ein liebevolles und verständnisvolles Zuhause gefüllt mit Leben, Liebe, Vertrauen, Respekt und Akzeptanz. Vielleicht hätte ich das alles auch ohne den Krebs „erfahren“, aber vielleicht noch nicht so schnell, in so jungen Jahren wie mit Anfang 30.“
SU sagt über sich: „Ich bin SU, 38 Jahre jung, leidenschaftliche Stand up-Paddlerin und Palliativpatient mit metastasiertem Brustkrebs. Seit 2014 lebe ich mit der Erkrankung, gebe jedoch niemals auf. Ich liebe es, Menschen miteinander zu vernetzen so, wie wir es bei Cancer Unites tun, und über mein Leben auf dem Wasser, mit viel Lebensfreude zu schreiben.“
Antjes Antwort: „Ich bin nie der Typ für wehmütige Rückschauen gewesen, insofern hätte ich die Frage nach dem „alten“ Leben wohl mit oder ohne die Krebserkrankung immer erstmal mit „Nein“ beantwortet. Ich fand mein Leben vor dem Krebs spannend und vielschichtig genug, gleichzeitig haben sich auch ohne die Erkrankung natürlich immer wieder Veränderungen angekündigt, die ich mal mehr, mal weniger enthusiastisch angenommen habe. Den massiven Einschnitt, die massive Veränderung, die die Krankheit in mein Leben gebracht hat, hätte ich so nicht gebraucht, aber ich habe auch sie angenommen und bin damit weitergegangen. Für mich ist das der Lauf des Lebens und dem konnte ich bis hierher immer wieder auch etwas Gutes abgewinnen.
Eine Veränderung, die ich so nicht erwartet hätte, war der Verlust meiner körperlichen Unbeschwertheit, die ich vor meiner Erkrankung hatte. Die, liebes Leben, hätte ich tatsächlich gerne zurück!“
Zur Person: Antje erkrankte mit 38 Jahren an Brustkrebs. Ihre eigenen Erfahrungen, gerade auch mit den seelischen Erschütterungen, die die Diagnose Krebs mit sich bringt, haben sie dazu bewogen, einen Wegbegleiter für Frauen mit Brustkrebs zu schreiben: „Nicht allein auf weißem Flur“. Das Buch soll Betroffenen Raum geben für ihr ganz persönliches emotionales Erleben dieser Erkrankung und macht einfache Angebote zum Umgang mit herausfordernden Gedanken und Situationen. Die Vermittlung eines guten Umgangs mit Gefühlen ist auch hauptberuflich Antjes Leidenschaft. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Berlin.
Andreas Antwort: „Ich möchte auf keinen Fall in mein Leben vor dem Krebs zurück. Ich habe nach meiner zweiten Erkrankung beschlossen, mich beruflich zu verändern. Egal ob es schwer wird oder nicht, ich bin mir seitdem sicher , nie mehr einen Beruf auszuüben, den ich nicht mit dem Herzen machen möchte. Das Leben ist zu kurz um nicht seinem Herzen zu folgen.“
Andrea sagt über sich: „Ich bin Andrea und in diesem Jahr 8 Jahre krebsfrei. 2009 und 2012 erkrankte ich an Lymphdrüsenkrebs und kämpfte mich ins Leben zurück. Nach einer langen Reha und Findungsphase habe ich mich zur Sprecherin/ Synchronsprecherin (Hörspiel/Hörbuch/VoiceOver) ausbilden lassen und mache gerade die ersten Schritte in meinem Traumjob. Und so nebenbei gründete ich den Verein Wir können Helden sein eV. und das Projekt Heldencamper. Das wäre ohne meine Krebserkrankungen nicht passiert.“
Und nun meine Frage an dich:
Welcher Gedanke hat dich ganz besonders inspiriert oder vielleicht sogar überrascht?
Ich selbst habe so viel Honig aus diesen sehr persönlichen Einblicken gesogen, dass ich einiges klarer sehe oder aber auch noch mal für mich hinterfrage.
Was sagst du? Was hat dir geholfen oder nachdenklich gestimmt? Wie gesagt, wir alle sind interessiert, deine Perspektive, deine Erfahrungen und Erkenntnisse zu erfahren. Trau dich.
Lasse gerne einen Kommentar (unten) dazu da und und besuche uns sechzehn (!) auf unseren Webseiten, auf Instagram oder facebook.
Denn wie du siehst: Du bist nicht allein.
Pass auf dich auf und alles Liebe!
12 Gedanken zu „Willst du eigentlich dein „altes Leben“ vor der Krebsdiagnose zurück? Eine Frage, 16 Antworten.“
Danke liebe Nella für diese Geschichten
SU folge ich schon einige Zeit auf Instagram und bin bewegt von ihrem Erleben.
Ich selbst bekam im Sommer 2018 Brustkrebs und habe alle Therapien bis Ende 2019 durchgezogen( Chemo, 2 OP’s, Bestrahlungen, Antikörper Therapie und noch laufend Antihormon Therapie). Obwohl ich als Altenpflegerin arbeitete und mit Krankheit täglich konfrontiert wurde war ich von meiner Diagnose überrascht und habe erstmal meinen Dienstplan erfüllt und eine ordentliche Übergabe an meinen Kollegen gemacht ehe ich die Therapie begann und mich krankschreiben ließ.
Damals dachte ich noch, ok das bringst du hinter dich und dann geht’s weiter wie zuvor.
Doch ich bekam zusätzlich Osteoporose und die Auflage nicht mehr als 10 kg zu heben, das war das Aus für meinen Arbeitgeber und meinen Job.
Diese Diagnose anzunehmen fiel mir sehr schwer, da ich erst 18 Monate vor meiner Krebsdiagnose mein Altenpflege Examen mit 55 Jahren bestanden hatte und diese Arbeit mit viel Freude und Liebe gemacht habe.
Nun, drei Jahre danach bin ich meist dankbar für die Zeit die ich nun habe, lerne neue Sprachen, warte mit meinem Mann auf unser neues Wohnmobil und freue mich auf viele Reisen im nächsten Jahr wenn er in Altersteilzeit geht.
Ja, ich bin längst nicht mehr so belastbar wie vorher, nehme Schmerzmittel aber ich bin zufrieden. Backe unser Brot selbst, diese Leidenschaft entstand während der Chemotherapie, denn nur auf dem Sofa liegen geht ja nicht also habe ich Sauerteig angesetzt, Rezepte studiert und gebacken.
Außerdem habe ich das Walken und Wandern für mich entdeckt und es tut meinen Knochen gut wie die letzte Knochendichte Messung zeigte.
Abschließend kann ich sagen?, ich möchte mein altes Leben nicht zurück nur manchmal die Begegnung mit den Patienten.
Alles Liebe für dich Nella
von Andrea
Liebe Andrea,
ich habe in meinem Leben schon vielfach den Kurs geändert – mal freiwillig, mal unfreiwillig.
Im Nachhinein habe ich jedes Mal festgestellt, dass es gut war, mich zu anderen Begegnungen,
anderen Herausforderungen und anderen Gedanken geführt hat.
Allerdings muss ich sagen, dass ich nie so wirklich einen Plan hatte, wohin die Reise denn gehen soll.
My second name is flexibility ;-). Das hat mir geholfen.
Toll, was du alles Neues gemacht hast und jetzt das Wohnmobil. Wie schön ist das denn bitte.
Dafür hättest du „normalerweise“ gar keine Zeit.
Ich wünsche dir/euch wunderbare Reisen (bei dir ohne Schmerzen) und genieße die Zeit,
was viele „gesunde“ ja nicht so gut können ;-).
Alles Liebe auch für dich.
Herzliche Grüße von Nella
P.S.: SU ist einfach der Hammer 🙂
Liebe Nella,
Danke für diese Artikel, es sind berührende Geschichten.
Meine Brustkrebserkrankung hat mich kalt erwischt. Nie habe ich daran gedacht, Krebs zu bekommen. Die gesamte Threapiephase habe ich stoisch über mich ergehen lassen, es war
Ja notwendig. Den Krebs habe ich von mir selber abgekoppelt. Erst viel Später , in der Reha habe ich die Angst vor der Strahlenthetapie zugelassen. Heute nach sechs Jahren, bin ich dankbar, alles überstanden zu haben. Geblieben ist, ich bin nicht mehr so belastbar.
Verändert habe ich mich etwas, ich grenze mich klarer ab, gegen Menschen oder Situationen mit denen ich nichts zu tun haben will.
Den Krebs habe ich versachlicht und will nie wieder so etwas durchmachen.
Ich bin dankbarer geworden, für vieles. Allerdings, die Unbeschwertheit ist vorbei.
Barbara
Liebe Barbara, ich danke dir sehr für deinen offenen Kommentar, Ja, das mit der alten Unbeschwertheit, ist so eine Sache. Allerdings denke ich manchmal, dass die meist sowieso kleiner wird, je älter man wird. Das Gleiche gilt für die Belastbarkeit und die Fitness. Die Kunst ist, sich an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und nicht zu hadern. Herzlichst die Nella
Ein toller Blogartikel Nella – danke fürs Sammeln dieser Aussagen von Menschen, die den Krebs in ihrem Leben hatten oder haben. Ich habe meinen Großvater mütterlicherseits und meinen Stiefvater (mit 46 Jahren) an den Krebs verloren. Deshalb ein besonderes Dankeschön für die tollen Geschichten von Menschen, die ihr Leben weiterleben können!
Das schmerzt mich zu lesen, liebe Silke. Der Krebs ist einfach ein großes A…!
Umso wichtiger, dass sich die Betroffenen dadurch nicht unterkriegen lassen.
Ich danke dir für deinen Kommentar. Herzlichst, die Nella
Schön und mutmachend, vielleicht eine Fortsetzung machen für uns mit Älteren?
Liebe Beate, das ist eine gute Anregung, das ist eine sehr gute Idee. Dafür müsste ich allerdings außerhalb des Netzes GesprächspartnerInnen suchen (und finden). Das ist zur Zeit etwas schwierig. Für Vorschläge bin ich immer zu haben. Ich bleibe auf jeden Fall an den Thema dran.
Schreib mir gerne, wenn du jemanden kennst, der mir dazu etwas sagen möchte. Ich würde mich sehr freuen. Wenn ich zehn Stimmen zusammen habe, geht der nächste Artikel raus.
Herzlichst, die Nella
Liebe Nella, Du hast Recht, das ist eine wahre Wundertüte an persönlichen Geschichte, die sehr bewegend sind. Toll finde ich die Überlebensregeln von Susanne, spannend, dass Don sagt, seine Oberflächlichkeit abgelegt zu haben. Dass der Krebs wie ein „Brennglas“ ist, werde ich nicht mehr vergessen. Ein sehr einprägsames Bild! Danke, dass Du diesen tollen Artikel so zusammengestellt hast!
Ich danke dir, liebe Annette, dass du dabei warst. Es war wirklich ein schönes Projekt und ich war sehr gerne die „Gastgeberin“ aller Mitmachenden. Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt – auch für mich selbst. Ich bin jetzt noch zufriedener und gelassener mit mir selbst.
Herzlichst, die Nella
Liebe Annette, es war mir eine große Freude und ein persönliches Anliegen diese wunderbaren Texte zusammenzutragen.
Auch mir haben die Statements noch einmal einen richtigen Energieschub gegeben. Danke für deinen Kommentar
und deinen Input im Beitrag. Schön, dass du dabei warst.
Herzlichst, die Nella